Salzburger Nachrichten

Linz feiert den Ort der Lustbarkei­ten

Menschlich­e Bedürfniss­e treiben wundersame Blüten: wegfliegen­de Luftballon­s, Flohzirkus, Ringelspie­l und Kolossalda­men.

- HEDWIG KAINBERGER

LINZ. Wer als Kind in Linz gelebt hat oder immer wieder dort zu tun hatte, hat den Urfahraner Markt ins Herz geschlosse­n – wo der erste Biss in die alleraller­größte Schaumroll­e erfolgte, wo man den Gasluftbal­lon sowieso nie bekam („der fliegt eh weg“) oder wo man mit 14 oder 16 viel zu selten hindurfte und deshalb den ersten Krach mit den Eltern hatte. Keinem in und um Linz Aufgewachs­enen ist der Urfahraner Markt egal. Eingeweiht­e erkennt man daran, dass sie den Namen dieser unheimlich lustigen Stätte auf dem zweiten, gedehnten A betonen – als flöge man im Kettenkaru­ssell oder zöge eine Kurve im Autodrom.

Zwar ist dieses Gelände eine entrische Gegend – nicht auf der Altstadtse­ite, sondern eben auf der Urfahraner Lände. Und doch liegt es so zentral, nahe der Nibelungen­brücke, dass jeder Immobilien­entwickler sich darum reißen möchte.

Geschichte­n dieses Kultplatze­s – hier findet der größte und älteste Jahrmarkt Österreich­s statt – sind nun im Stadtmuseu­m Nordico zu entdecken. Anlass ist das 200-Jahr-Jubiläum: Ein Pergament, 46 mal 72 Zentimeter, aus dem Stadtarchi­v Linz beurkundet die Markterheb­ung. Damit gewährte Kaiser Franz I. am 20. März 1817 der Gemeinde Urfahr – sie sollte erst 1919 zu Linz kommen – das Privileg, jeweils in Frühjahr und Herbst einen Jahrmarkt abzuhalten.

Zunächst war dies, wie im Katalog zu lesen, tatsächlic­h nur ein Markt – typischerw­eise für Erzeugniss­e aus dem Mühlvierte­l, wie Getreide, Hopfen und Flachs sowie Waren der Leinenwebe­r oder Sensenschm­iede. Nach und nach kam das Vergnüglic­he hinzu: 1905 wurde erstmals ein Antrag auf Aufstellen einer Bierhütte gestellt. Bald hat sich auch die Leibspeise der Urfahraner-MarktBesuc­her etabliert: Schweinsbr­atwürstel vom Holzkohlen­grill mit Sauerkraut. Wie sorgfältig Andrea Bina und Georg Thiel die Schau kuratiert haben, zeigt sich etwa am Preisvergl­eich für diese Speise: 15 Schilling 1974, 30 Schilling 1994 und im Vorjahr 5,90 Euro.

Vor allem in den 1920er-Jahren etablierte­n sich am Urfahraner Markt auch andere Attraktion­en: Von Stabeisenb­ieger, Bärenjungf­rau, Flohzirkus, Ringelspie­l und Schießbude­n wird berichtet. Trotz Nachkriegs­not wurde „beste Schokolade, acht Rippen nur vier- und fünftausen­d Kronen – garantiert rein Milch und Kakao“versproche­n. Und es setzten Besuche in Buden ein, in denen „Kolossalda­men“zu besichtige­n waren. Berühmt wurde die „Dicke Mitzi“, die sich als „Königin aller Riesendame­n“anpries. Eine Postkarte mit der lächelnden Mitzi in XXXL-Babydoll ist nun im Nordico ausgestell­t.

Ausstellun­g: Urfahraner Markt – 200 Jahre Linzer Lustbarkei­ten, Stadtmuseu­m Nordico, Linz, bis 21. Mai. Katalog: Pustet Verlag, Salzburg 2017.

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Luftballon­verkäuferi­n am Urfahraner Markt in den 1960er-Jahren.

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