Im Terror entfliehen die Ideale
Die ersten Schöffen stimmten für Freispruch
SALZBURG. In diesem Theaterstück ist man als Schöffe aufgerufen zu urteilen: Ist Lars Koch schuldig? Die ersten 449 Salzburger Schöffen sprachen am Samstag in der Premiere von „Terror“von Ferdinand von Schirach den Angeklagten mit 260 zu 189 Stimmen frei. Diese 58 Prozent entsprechen – laut „Terror“-Website – fast dem Votum der seit der Uraufführung im Oktober 2015 aktiven 263.248 Schöffen. Davon haben 60,4 Prozent Koch freigesprochen und damit, wenngleich nur im Theater, zwei kapitale Schäden angerichtet: die Glaubwürdigkeit des Verfassungsgerichts und die Befehlsgewalt im Bundesheer ausgehebelt. Führen sie damit brav das Handwerk der Terroristen fort?
Die anderen haben das Überleben von 70.000 Menschen nicht als wichtig genug erachtet. Sie hätten es vorgezogen, dass ein Airbus mit 164 Passagieren in 70.000 Besucher eines Fußballstadions geflogen wäre. Der Eurofighter-Pilot Lars Koch hat dies verhindert, weil er den Befehl, nicht zu feuern, ignoriert und den Airbus abgeschossen hat. Deshalb schuldig? Deshalb einen 31jährigen, mutigen, hochintelligenten Soldaten ruinieren?
Das Schlussbild zeigt den Schatten eines Mädchens, das, von Luftballonen enthoben, Halt und Bodenhaftung verliert. Dies ist hübsch anzuschauen, hat aber wenig mit dem Bühnenspiel voller Fakten und Rechtsphilosophie gemein. Darin sind die Fragen exzellent gestellt. Doch schlägt das Stück aus der juristischen Knobelei wenige dramatische Funken. Das allerdings eröffnet den Schauspielern, ihr Können im Monolog vorzuführen. Das gelingt allen vorzüglich. Der zu Vernehmende sitzt mit dem Rücken zum Publikum, doch sein Gesicht wird auf der Bühnenrückwand in Kino-Dimension vergrößert. Vor allem Georg Clementi als Zeuge brilliert da mit abwechslungsreichem Mienenspiel. Gregor Schleuning besticht als Lars Koch durch mitreißenden Idealismus eines Soldaten.
Regisseurin Dedi Baron hat in der statischen Anordnung des Gerichts die Figuren markant konturiert. Christoph Wieschke ist als bedächtiger Vorsitzender ein wirksamer Ruhepol, wenn Pro und Kontra aufeinanderprallen oder wenn Nikola Rudle als Nebenklägerin den Tod ihres Mannes herzerweichend beklagt. Julienne Pfeil spielt die kluge, emphatische Staatsanwältin so glänzend, dass man sich wundert, warum der Freispruch in Salzburg so hohe Quote erhalten hat.
Theater: „Terror“, Landestheater Salzburg, bis 19. April.