Pracht, Witz und stille Momente
Die letzten Tage der Salzburger Mozartwoche entfalteten noch einmal ein feines Panorama klassischer Musik.
Fürst Nikolaus II. Esterházy liebte Prunk und Pomp. Auf diese Weise brachte er das Erbe seiner Vorfahren durch, setzte deswegen auch die Kunst auf Sparflamme. Die meisten Bläser der Kapelle wurden als überflüssig erachtet, außer den Trompeten. Sie durften weiterschmettern, über die Streicher hinweg und mit Paukengeknall. Der alte Joseph Haydn, schon Weltstar seiner Zeit, war Könner genug, aus der Not mehr als eine Tugend zu machen. Seine „Missa in angustiis“(in Bedrängnis), auch als „Nelsonmesse“geläufig, erlangt kompositorisch eine derart expressive Wucht und kühne Modernität, dass diese zweckgebundene Kirchenmusik sogar mehr ist als eine liturgische „Oper“.
Die Aufführung am Sonntag – als ein Höhepunkt im Haydn-Schwerpunkt der Salzburger Mozartwoche – geriet gleichwohl zu einem musikdramatischen Erlebnis: mit großen, prächtigen Stimmen (Miah Persson, Elisabeth Kulman, Michael Schade, Florian Boesch und dem Salzburger Bachchor) besetzt, mit dem Mozarteumorchester unter Ivor Bolton sozusagen in voller Fahrt. Die brauchte es übrigens auch, war doch sonst das seltsam buntscheckige Programm mit dem „Nannerl-Septett“ mehr pflichtschuldig denn sauber elaboriert eröffnet worden. Dann aber sang der Bachchor in gläserner Schönheit a cappella Arvo Pärts „Magnificat“. Es erhob und beruhigte die Seelen mit klangmagischer Sensibilität.
Haydn bringt natürlich immer Farbe ins Spiel, wenn man ihn in seinem Witz, Einfallsreichtum und den mannigfachen unorthodoxen Ideen ernst nimmt. Der „Giardino Armonico“, noch ein Originalklangensemble mehr in dieser Mozartwoche, erarbeitet mit seinem Leiter Giovanni Antonini (und abwechselnd mit dem Basler Kammerorchester) bis 2032 einen Zyklus aller Haydn-Symphonien; zwei Kostbarkeiten, „Le matin“und „Tempora mutantur“, waren am Samstag schon die rechten Appetithappen, sozusagen symphonisches Musiktheater vom Delikatesten. Ausdruck geht über planen Wohlklang (der sich gleichwohl einstellt) und bringt die Musik zu adäquatem Sprechen.
Darin fühlt sich auch die quirlige Sopranistin Anna Prohaska hörbar wohl, und so war Haydns „Berenice“-Kantate in ihrem Leidensund Leidenschaftsgestus bildgewordene Gesangskunst par excellence. Da hatte die ins Dramatischere strebende Sängerin den ersten Versuch, sich in eine Arie der Konstanze aus Mozarts „Entführung aus dem Serail“einzuarbeiten, glücklich erschöpft hinter sich gebracht: Das ist kein Stimmfutter für 11 Uhr Vormittag. Figaros Susanna und Giunia aus „Lucio Silla“: Das ist noch deutlich stärker ihre Welt.