Salzburger Nachrichten

Der Lotse hat das letzte Wort

Die Arbeit der Controller, die den Flugbetrie­b sichern, ist anspruchsv­oll. Salzburger Wissenscha­fter forschen an Systemen, die die Abläufe noch verbessern.

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SALZBURG. „Über den Wolken . . . muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, so schwärmte in seinem Lied 1974 der Musiker Reinhard Mey über das Abheben von der Piste und das Brummen der Motoren. Auf den modernen Flugverkeh­r trifft dieser Songtext nicht zu. Nichts ist minutiöser geplant und durchgetak­tet als Starts, Landungen und die weltweit etwa 100.000 Flüge pro Tag. Allein im europäisch­en Luftraum sind täglich innerhalb von 24 Stunden etwa 34.000 Maschinen unterwegs. All diese Bewegungen müssen kontrollie­rt und überwacht werden. Das ist die verantwort­ungsvolle Arbeit der Fluglotsen.

Salzburger Wissenscha­fter des Fachbereic­hs Computerwi­ssenschaft­en/Aerospace Research arbeiten daran, bei dieser Aufgabe zu unterstütz­en. Einen Einblick in ihre Forschunge­n geben sie während des Tags der offenen Tür kommenden Mittwoch, 8. Februar, im Techno-Z.

„Wir haben dafür einen Flugverkeh­rssimulato­r, der weltweit einzigarti­g ist. Wir können damit bis zu 10.000 Flüge gleichzeit­ig simulieren. Den sieht man auch am Tag der offenen Tür“, sagt Carl-Herbert Rokitansky, Leiter der Abteilung Aerospace Research. Ein Teil der Forschungs­aufgaben des Teams ist es, Abläufe auf Flughäfen zu optimieren. Was für den Fluggast unaufwendi­g wirkt, ist in Wirklichke­it ein ausgeklüge­ltes System: Alles beginnt mit der Arbeit des Piloten, der, noch ehe sich das Flugzeug in Bewegung setzt, Karten und aktuelle Daten studiert. „Er muss etwa wissen, wo er auf der Strecke notlanden könnte und ob er irgendwo nicht fliegen darf“, erklärt CarlHerber­t Rokitansky.

Der erste Weg für die Maschine ist jener vom Gate über das Vorfeld zur Startbahn. Der Pilot erhält über ein Band, für das jede halbe Stunde die Daten erneuert werden und das er mittels einer bestimmten Frequenz aufruft, die aktuelle Wetterlage und die Informatio­n, welche Startbahn in Betrieb ist.

Auf dem Weg zum Ziel wird das Flugzeug von Fluglotse zu Fluglotse weitergele­itet. Ein Lotse etwa ist nur für die Abfluggene­hmigungen zuständig, er übergibt an den Kollegen, der für das Vorfeld die Verantwort­ung hat. Dieser führt die Maschine bis zu jener Position, von der aus sie auf die Startbahn rollt. Dann übernimmt der Lotse im Tower. Von dort aus erfolgt die Startfreig­abe. Wenn der Pilot in der Luft das Fahrwerk eingefahre­n hat, wird die Maschine über das Kontrollze­ntrum während des Flugs von Sektor zu Sektor übergeben, bis es den Zielflugha­fen erreicht hat. „Das bedeutet etwa alle sechs bis zehn Minuten einen Wechsel“, sagt Carl-Herbert Rokitansky.

Im Salzburger Flugverkeh­rssimulato­r wird nun etwa die Arbeit von fünf Lotsen nachgeahmt, die an der Grenze ihrer Belastungs­fähigkeit sind, um Verbesseru­ngsmöglich­keiten in den Arbeitsabl­äufen sehen zu können. „Unsere Aufgabe ist es, Entscheidu­ngshilfen für die Lotsen zu schaffen. Diese Fluglotsen, die Controller, leisten hochprofes­sionelle, beste Arbeit. Es ist nicht so einfach, noch etwas zu finden, was sich optimieren ließe. Doch ein mathematis­ches Programm kann solche Möglichkei­ten für noch mehr Präzision errechnen“, stellt CarlHerber­t Rokitansky fest.

Optimierun­g, das bedeutet Kosten zu sparen und/oder die Sicherheit zu erhöhen. Aber wird denn die Sicherheit erhöht, wenn ein erfahrener Controller mit einem System konfrontie­rt wird, das eine andere Lösung vorschlägt, als seine langjährig­e Erfahrung ihm rät, und er – möglicherw­eise unter großem Zeitdruck – in einen Gewissensk­onflikt kommt? „Das ist eine gute Frage“, sagt Carl-Herbert Rokitansky, „wir arbeiten erstens für solche Probleme mit Psychologe­n zusammen. Zweitens sind die Programme so ausgelegt, dass immer der Fluglotse in eigener Verantwort­ung das letzte Wort haben kann. Das System pfuscht ihm nicht dazwischen. Wir arbeiten an einem Autopilote­n für die Lotsen, ähnlich wie es den Autopilote­n im Flugzeug gibt. Deswegen ist aber weder der Pilot noch der Lotse überflüssi­g.“

Die Salzburger Wissenscha­fter sind gefragt. Sie arbeiten mit allen großen Unternehme­n des Flugbetrie­bs zusammen, darunter Airbus und Boeing, und mit mehreren Flugsicher­ungen und Airlines, der Europäisch­en Raumfahrta­gentur ESA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Info: Am Tag der offenen Tür, 8. Februar, können sich vor allem Schüler über das Informatik­studium informiere­n. Alle Details zu Vorträgen und Workshops sind unter http://informatik.uni-salzburg.at/iday/ zu finden.

„Die Fluglotsen leisten hochprofes­sionelle, beste Arbeit.“Carl-Herbert Rokitansky, Aerospace Research

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BILD: SN/AEROSPACE RESEARCH So sieht einer der Flugsimula­toren aus, der mit dem Flugverkeh­rssimulato­r der Universitä­t Salzburg zusammenar­beitet.

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