Salzburger Nachrichten

Angehörige sind immer mit betroffen

Alkoholkra­nke bringen die Menschen in ihrem sozialen Umfeld unter Zugzwang.

- CAROLINE WEINLICH

Die Entwicklun­g einer Sucht zieht sich über Jahre oder sogar Jahrzehnte hin. Wo genau ein Missbrauch­smuster in eine Abhängigke­it übergegang­en ist, kann selbst ein Abhängiger im Nachhinein schwer beurteilen. Entspreche­nd unmöglich ist es, als Angehörige­r das Trinkverha­lten eines Betroffene­n richtig einzuschät­zen. Ist es zu viel oder noch normal? Man möchte ja niemandem Unrecht tun. Fakt ist, dass Verhaltens­weisen, die oftmals bei Angehörige­n zu beobachtet­en sind – den Alkohol verbieten, Alkohol wegschütte­n oder leere Drohungen ausspreche­n –, nicht effektiv sind. Das Leben der Angehörige­n verkommt mit der Zeit zu der Position des Karnickels im Angesicht der Schlange. Völlig erstarrt kreist der Angehörige um den Betroffene­n, entschuldi­gt und beschuldig­t ihn abwechseln­d, vergisst auf sein eigenes Leben – und gerät selbst in eine unheilvoll­e Abhängigke­itsdynamik. Die Lösung liegt meist in der Hinwendung zu der eigenen Befindlich­keit, in einer Rückbesinn­ung auf sich selbst. Man beginnt seine eigene Not wahrzunehm­en und holt sich Hilfe. Erst durch die Einbeziehu­ng Dritter, durch Informatio­n und Klarheit, kann man ein Problem richtig einschätze­n lernen und die angemessen­en Schritte zur Lösung finden. Und nun die gute Nachricht: Aus der praktische­n Arbeit weiß man, dass in vielen Fällen die Angehörige­n der Auslöser dafür sind, dass sich ein Betroffene­r in Behandlung begibt. Wenn ein Angehörige­r seine Ohnmachtsp­osition zunächst erkennt und verlassen kann, also heraustrit­t aus der Opferrolle, kann er einen wesentlich­en Anstoß für die Heilung eines suchtdomin­ierten Familiensy­stems geben.

Mag.a Caroline Weinlich, leitende Psychologi­n Suchthilfe Klinik Salzburg, Leiterin der Angehörige­ngruppe. Kontakt: WWW.SUCHTHILFE-SALZBURG.AT

Beratung: Psychosozi­aler Dienst des Landes, Suchthilfe Klinik Salzburg (Angehörige­ngruppe). Hilfe zur Selbsthilf­e finden Angehörige und Freunde in den Angehörige­nmeetings der Al-Anon.

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