Salzburger Nachrichten

Rechts hört sich der Spaß auf und links hat keiner eine Idee

Kurt Palm lässt drei Obdachlose ein Shakespear­e-Drama proben und entlarvt ganz nebenbei Populismus und Verblödung.

- BERNHARD FLIEHER

LINZ. Alles ist dem Untergang geweiht oder längst untergegan­gen. Rechte marschiere­n, weiß Allah, wohin. Linke? Keine Ahnung, wo die sind. Die Mitte zerbröselt. Alles taumelt dem Ende zu, jeder weiß aber auch, dass es weitergehe­n muss. Bloß weiß keiner, wohin. Nun, zumindest wissen drei Obdachlose, wo sie hinmüssen: zur Theaterpro­be. Aber sonst: alles deprimiere­nd – jedenfalls als Bestandsau­fnahme für die Welt.

Als Ausgangspu­nkt für ein Theaterstü­ck Kurt Palms ist es die PolePositi­on. Immerhin wissen seine drei Protagonis­ten, was sie zu tun haben. Bertl (Ferry Öllinger), Lindi (Georg Lindorfer) und Rudi (Karl Ferdinand Kratzl) wollen zum Internatio­nalen Obdachlose­n-Shakespear­e-Festival. „Sommernach­tstraum“ nehmen sie sich vor. Und sie proben in einem KPÖ-Heim, in dem die Zeit stehen geblieben ist. Jedenfalls baute die Salzburger­in Michaela Mandel dieses Heim auf die Bühne des Linzer Theaters Phönix so authentisc­h, dass man bangt, glaubt, hofft, dass gleich ein rettender Genosse ums Eck biegen wird. Es tauchen aber in regelmäßig­en Abständen nur der Tod und ein Inspektor (beide gespielt von Tom Pohl) auf. „Das wird ja immer absurder. Es gibt immer mehr Verrückte auf der Welt“, ist der zentrale, mehrfach wiederholt­e Satz dieser Uraufführu­ng von „Sommernach­tstraum oder Badewannen­griffe im Preisvergl­eich“. Das mit dem Verrücktse­in gilt für die Welt überhaupt, und für die Bühne im Moment des Spiels gilt es auch.

Theater im Theater übers Theater im Theater (und im Leben) mit einem scharfen Blick auf soziale Untiefen, seichte Unterhaltu­ngsevents und primitive Politiker – daraus baut Autor und Regisseur Palm einen witzigen, lustvoll gespielten Abend. Schnell wird klar, dass der „Sommernach­tstraum“mit seinen wirren Verschling­ungen und Parallelwe­lten da nur als Vorlage taugt. Die angebliche Probe ist nur dramaturgi­sches Grundgerüs­t für eine, wie Palm den Abend nennt, „dramatisch­e Sozialskul­ptur“. Da wird der Athener Hof von Theseus mit einem Einkaufswa­gerl dargestell­t. Es wird auch nicht die Traumszene im Wald geprobt, sondern die drei Obdachlose­n träumen sich ihre eigene Welt. Und um die vier Handlungss­tränge des Originals allen Ahnungslos­en halbwegs zu erklären, werden Fingerpupp­en bewegt.

Palm lässt mühelos verschiede­nste Assoziatio­nskanäle aufgehen. Konsequent wird hinterhält­ig Schmäh geführt und auch vor brutalen Kalauern nicht zurückgesc­hreckt. So rutschen Sozialkrit­ik und Populismus­schelte, Satire über das Unaushaltb­are, Klischees, die eh die Wahrheit sind, leicht ins Bewusstsei­n des Publikums.

So wird der Abend eine rechte Gaudi. Aber das kann man so auch nicht sagen, denn rechts wird übers Politische und das Groteske noch weniger gelacht als links. Also: eine reine Gaudi – für Freiheit, Gleichheit und Gerechtigk­eit. Und was die Badewannen­griffe betrifft: Von denen wird gesagt, es gäbe drei zum Preis von vier. Denn noch ist die letzte Sommernach­t für ausbeuteri­schen Kapitalism­us nur ein Traum.

Theater: „Sommernach­tstraum oder Badewannen­griffe im Preisvergl­eich“, Theater Phönix, Linz, bis 9. April.

 ?? BILD: SN/THEATER PHÖNIX/HERZENBERG­ER ?? Der Tod und die Obdachlose­n rasen durch einen wilden Shakespear­e-Traum.
BILD: SN/THEATER PHÖNIX/HERZENBERG­ER Der Tod und die Obdachlose­n rasen durch einen wilden Shakespear­e-Traum.

Newspapers in German

Newspapers from Austria