Salzburger Nachrichten

Wien will EU-Regeln für Facebook & Co.

Staatssekr­etärin Duzdar wirbt im Kampf gegen Hass im Netz in Brüssel für Transparen­zpflicht.

- J. Weidenholz­er, EU-Abgeordnet­er mg

Die für Digitalisi­erung zuständige Staatssekr­etärin Muna Duzdar und der Vizepräsid­ent der Sozialdemo­kraten im EUParlamen­t, Josef Weidenholz­er, drängen die EU-Kommission, strenger gegen Hasspostin­gs im Internet vorzugehen. Im Mai vorigen Jahres haben sich IT-Riesen wie Facebook, Twitter, Google und Microsoft zwar mit der EUKommissi­on auf einen Verhaltens­kodex geeinigt und zugesagt, Meldungen über Hasskommen­tare in weniger als 24 Stunden zu prüfen und erforderli­chenfalls zu entfernen. Doch eine erste Prüfung im Dezember hat gezeigt, dass nur etwa 40 Prozent der illegalen Postings tatsächlic­h gelöscht wurden, in Österreich gar nur 20 Prozent. Duzdar fordert bei ihrem Besuch in Brüssel eine europäisch­e Transparen­zpflicht für Onlineplat­tformen. Unter anderem sollten die Unternehme­n festhalten müssen, wie viele verhetzend­e Kommentare auf ihren Seiten gemeldet bzw. gelöscht werden und wie viele Mitarbeite­r sie wo damit beschäftig­en. Ein Grund, warum Probleminh­alte oft länger im Netz blieben, sei der fehlende Bezug zu den unterschie­dlichen Rechtssyst­emen in den betroffene­n Ländern, vermutet Duzdar. Auch müssten Gerichtsst­and und Haftungsfr­agen geklärt werden.

In Österreich will die Regierung mit einer im Sommer 2016 gestartete­n Initiative gegen Gewalt im Netz vorgehen. Abgesehen von einer Kampagne, um Internetnu­tzer zu sensibilis­ieren, und Schulungen, um Möglichkei­ten aufzuzeige­n sich zu wehren, wird im Bundeskanz­leramt eine Meldestell­e eingericht­et. Sie soll noch im ersten Halbjahr starten. Die Ausschreib­ung läuft.

Die Clearingst­elle mit fünf bis sechs Mitarbeite­rn, darunter Juristen, soll keine Behörde sein oder aktiv nach Hasspostin­gs im Internet suchen, sondern Betroffene­n eine erste Anlaufstel­le für Beratung bieten. Die Strafverfo­lgung liegt bei fünf Sonderstaa­tsanwälten, die parallel dazu ihren Dienst aufnehmen.

EU-Parlamenta­rier Weidenholz­er (SPÖ) kritisiert, dass der Verhaltens­kodex für Facebook & Co. „keine wirklichen Konsequenz­en“habe. Denkbar wäre aus seiner Sicht, dass die bei der EU-Polizeiage­ntur Europol zuständige Internet-Beobachtun­gsstelle (IRU) sich künftig auch mit Verhetzung oder sexistisch­en Attacken beschäftig­t. Bisher beobachtet Europol die Dschihadis­ten-Szene im Netz. Die Sozialdemo­kraten im EU-Parlament fordern zudem eine Charta der digitalen Grundrecht­e und haben sich schon an die EU-Kommission gewandt.

Auf europäisch­er Ebene könnten Transparen­z- und Berichtspf­lichten für die Internetko­nzerne über die E-Commerce-Richtlinie oder die audiovisue­lle Medien-Richtlinie verankert werden.

„Hass im Internet macht vor Grenzen nicht halt.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria