Präsident und Kanzler kämpfen für Europa
Der gemeinsame BrüsselBesuch von Alexander Van der Bellen und Christian Kern ist symbolisch wichtig. Aber es sollte mehr daraus werden.
Politik lebt auch von Symbolen. Gerade in einer Zeit, in der Populisten von rechts und links nicht mit rationalen Argumenten, sondern mit Schwarz-WeißMalerei und dem Schüren von Ängsten Politik machen, müssen Politiker Mittel und Wege finden, dem etwas entgegenzusetzen. Daher ist die Symbolik des Antrittsbesuchs von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Christian Kern am Montag in Brüssel nicht hoch genug zu schätzen.
Nicht nur, weil es gar nicht so selbstverständlich ist, dass in Österreich Präsident und Kanzler gemeinsam in voller Eintracht auf Dienstreise gehen. Da gab es nämlich auch ganz andere, negative Beispiele, wie den handfesten Krach zwischen Bundeskanzler Franz Vranitzky und Bundespräsident Thomas Klestil, wer in der EU-Politik das Sagen hat. Gegipfelt hat das unter anderem darin, dass sich Klestil bei der Unterzeichnung des EU-Beitrittsvertrags auf Korfu mit aufs Bild drängte.
Aber viel wichtiger am gemeinsamen Antrittsbesuch von Alexander Van der Bellen und Christian Kern in Brüssel ist: Sie betonen mit einer starken Geste die gemeinsamen Grundwerte der Europäischen Union und stellen das Gemeinsame in Europa vor das Trennende. Das ist derzeit alles andere als populär. Damit lässt sich in der Öffentlichkeit auch nicht wirklich punkten, weil die Europäische Union tatsächlich sehr viel Angriffsfläche für berechtigte Kritik bietet.
Doch wer kann wirklich wollen, dass Europa wieder in die unsäglichen Zeiten des Nationalismus zurückfällt und falschen Führern folgt? Wer will es wirklich zulassen, dass hemmungslos an demokratischen Grund- und Freiheitsrechten gesägt wird, nur weil Demokratie mühsam und ein ständiges, zähes Ringen um den besten Kompromiss ist? Natürlich ist auch einem US-Präsidenten Donald Trump ein zersplittertes und uneiniges Europa lieber. Umso leichter hat er es, die Interessen der USA durchzusetzen.
Die Antwort darauf kann nur sein, dass Europa rasch wieder mit einer großen Kraftanstrengung aus der Identitäts- und Sinnkrise herauskommt. Der Brexit wäre eine gute Gelegenheit, sich insgesamt neu zu sortieren, statt sich in den Austrittsverhandlungen weiter auseinanderdividieren zu lassen.
Dass nach Brüssel für Van der Bellen gleich der Besuch in der mit der EU eng verknüpften Schweiz folgt, kann in diesem Zusammenhang ebenfalls ein Signal sein. Warum sollte es in Zukunft nicht unterschiedlichste Arten der EU-Mitgliedschaft geben?