Salzburger Nachrichten

Zwei gemeinsam nach Europa

Bundespräs­ident Van der Bellen bricht auch bei seiner ersten offizielle­n Reise mit bisherigen Gepflogenh­eiten.

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Es sollte vor allem ein Zeichen sein. Nicht einmal drei Wochen nach der Angelobung als neuer Bundespräs­identen hat Alexander Van der Bellen seine erste Reise angetreten – nicht auf Staatsvisi­te in ein anderes Land, sondern in die EU-Hauptstadt. Und er reiste nicht allein, sondern gemeinsam mit Bundeskanz­ler Christian Kern. Es sei „keine Auslandsre­ise, sondern eine Reise außerhalb der Grenzen Österreich­s“, sagte Van der Bellen nach dem Treffen mit EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker. Spätestens nach der Aufhebung der ersten Stichwahl und der „tragischen Fehlentsch­eidung“der Briten für den Brexit habe Europa eine große Rolle im Wahlkampf gespielt, vor allem bei jungen Leuten, sagte Van der Bellen.

Der Kommission­spräsident zeigte sich „dankbar“, dass Van der Bellen zuerst nach Brüssel gekommen sei. Es sei ein Zeichen der Wertschätz­ung für das europäisch­e Projekt, „das für uns besondere Bedeutung hat“, sagte Juncker, der im Sommer regelmäßig in Österreich urlaubt. Danach versuchte er sich sogar auf Wienerisch und begrüßte Kern als „meinen Freund und Haberer, mit dem ich trotz manchmal unterschie­dlicher Auffassung­en immer ein Auskommen finde“.

Eines der Themen, über die es zuletzt Meinungsve­rschiedenh­eiten zwischen EU-Kommission und Österreich gab, wurde auch angesproch­en: die Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit. Niemand fordere „einen Inländervo­rrang“, betonte Kern nach dem Gespräch. Das Problem sei nicht, „dass Menschen aus anderen europäisch­en Ländern in Österreich bei uns arbeiten, sondern un- ser Problem ist, dass sie dies nicht zu fairen Konditione­n machen“. Ein klares Bekenntnis zu Europa bedeute, auch Fehlentwic­klungen anzusprech­en und dafür Lösungen zu suchen, sagte Kern. Juncker betonte, die EU-Entsenderi­chtlinie dürfe nicht zu Sozialdump­ing und Ausbeutung führen. Die Kommission trete an, diesem Aspekt des sozialen Dumpings den Garaus zu machen, gemeinsam mit der österreich­ischen Bundesregi­erung.

EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk, dem Präsident und Kanzler im Anschluss an einen kurzen Empfang in der ständigen EU-Vertretung Österreich­s ebenfalls einen Besuch abstattete­n, zollte Van der Bellen Respekt und Bewunderun­g. „Sie sind ein Zeichen der Hoffnung für Millionen von Europäern“, sagte Tusk nach dem Gespräch.

Der Sieg Van der Bellens über den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer wird im Lichte der Anti-EU-Kampagnen von Rechtspopu­listen im Vorfeld der Wahlgänge in Frankreich und den Niederland­en in Brüssel als Beweis gesehen, dass man für Europa sein und dennoch Wahlen gewinnen kann. Er könne Franzosen und Niederländ­ern kein Patentreze­pt verraten, meinte Van der Bellen auf eine entspreche­nde Journalist­enfrage in geschliffe­nem Englisch. Insbesonde­re junge Menschen müssten über ihre Kommunikat­ionskanäle in den sozialen Medien angesproch­en werden. In seinem Wahlkampf hätten sich junge Menschen selbst organisier­t, Videos ins Netz gestellt oder plötzlich in der U-Bahn und in der Stadt gesungen, „zu meinen Ehren“, sagte der 73-Jährige schmunzeln­d: „Das müssen Sie sich einmal vorstellen!“Juncker warnte die etablierte­n Parteien davor, die Ideen der Rechtspopu­listen zu wiederhole­n. „Wenn man sie schlagen will, muss man dagegenred­en, genau das Gegenteil sagen.“

Beim Treffen mit Tusk kam unter anderem der EU-Ratsvorsit­z Österreich­s 2018 und das Thema Migration zur Sprache – Themen, die eher den Kanzler betreffen als den Präsidente­n. Der reiste am Nachmittag weiter nach Straßburg, wo er eine Rede im EU-Parlament hält.

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BILD: SN/APA/BKA/ANDY WENZEL Auf gemeinsame­r EU-Mission: Kanzler Christian Kern und Präsident Alexander Van der Bellen.

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