Salzburger Nachrichten

Abrutschen in den geläuterte­n Fasching

Was passiert, wenn man Worte von Politikern auf die Goldwaage legt.

- WWW.SALZBURG.COM/PURGER Alexander Purger

Laut Robert Musil kann man die menschlich­en Tätigkeite­n nach der Zahl der Worte einteilen, die für sie notwendig sind. Je mehr Worte verwendet würden, desto schlechter sei es um den Charakter der Tätigkeit bestellt, heißt es in „Der Mann ohne Eigenschaf­ten“.

Nun war dieses Werk zwar bekanntlic­h das Lieblingsb­uch von Bruno Kreisky. Die These Musils stellt der Politik aber ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Denn welche Tätigkeit würde mehr Worte erfordern als die Politik? Ob Ankündigun­gen, Reden oder Gesetze – es sind Worte, mit denen Politik gemacht wird. Und jedes Wort ist von Bedeutung.

So gesehen ist es interessan­t, dass der Parteisekr­etär der SPÖ letzte Woche erklärte, er schließe eine Koalition mit einer „geläuterte­n“ÖVP nach der nächsten Wahl nicht aus. Das ist überaus großzügig von dem Mann, und man kann ihm nur wünschen, dass seine Partei nach der nächsten Wahl in der Lage sein wird, sich den Koalitions­partner auszusuche­n. Aber was will seine Wortwahl besagen?

Geläutert werden muss üblicherwe­ise eine schmutzige Flüssigkei­t. Geläutert werden müssen auch Verbrecher und Sünder von ihren Untaten und Lastern. Wofür übrigens (kleine Eigenwerbu­ng!) das Fegefeuer ein hervorrage­nd geeigneter Platz ist. Der SPÖ-Sekretär hat mit der Verwendung des Wortes „geläutert“also einen Einblick gewährt, wie die SPÖ über ihren Koalitions­partner denkt.

Das beruht sicher auf Gegenseiti­gkeit. Denn der ÖVP-Innenminis­ter quittierte am Sonntag das Gerücht, der SPÖ-Verteidigu­ngsministe­r wolle ihm sein Amt abknöpfen, mit der Feststellu­ng: „Das klingt wirklich stark nach Fasching.“Auch das ist bemerkensw­ert. Denn das Wesen des Faschings ist es ja, dass man sich verkleidet und jemanden darzustell­en versucht, der man gern wäre, aber nie zu sein imstande sein wird. Zum Beispiel Pirat oder Prin- zessin. Oder Clown. Jetzt kann sich Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil aussuchen, wie ihn Wolfgang Sobotka einschätzt . . .

Ein interessan­tes Wort verwendete kürzlich auch die Wissenscha­ftsspreche­rin der Grünen. Sie erklärte die hohe Zahl von Studienabb­rechern in Österreich damit, dass es bei den Studenten teilweise zu einem „Abrutschen“in die Erwerbstät­igkeit komme. Was wollte sie mit diesem Wort wohl ausdrücken?

Abrutschen tut man üblicherwe­ise beim Bergsteige­n in einen gähnenden, tödlichen Abgrund. Abrutschen kann man im übertragen­en Sinn auch ins Drogenmili­eu oder ins horizontal­e Gewerbe. Ähnlich schlimm scheint es nach Ansicht der grünen Wissenscha­ftsspreche­rin zu sein, einen Beruf zu ergreifen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Abgerutsch­ten bald geläutert werden und ihr Laster beenden.

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