Abrutschen in den geläuterten Fasching
Was passiert, wenn man Worte von Politikern auf die Goldwaage legt.
Laut Robert Musil kann man die menschlichen Tätigkeiten nach der Zahl der Worte einteilen, die für sie notwendig sind. Je mehr Worte verwendet würden, desto schlechter sei es um den Charakter der Tätigkeit bestellt, heißt es in „Der Mann ohne Eigenschaften“.
Nun war dieses Werk zwar bekanntlich das Lieblingsbuch von Bruno Kreisky. Die These Musils stellt der Politik aber ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Denn welche Tätigkeit würde mehr Worte erfordern als die Politik? Ob Ankündigungen, Reden oder Gesetze – es sind Worte, mit denen Politik gemacht wird. Und jedes Wort ist von Bedeutung.
So gesehen ist es interessant, dass der Parteisekretär der SPÖ letzte Woche erklärte, er schließe eine Koalition mit einer „geläuterten“ÖVP nach der nächsten Wahl nicht aus. Das ist überaus großzügig von dem Mann, und man kann ihm nur wünschen, dass seine Partei nach der nächsten Wahl in der Lage sein wird, sich den Koalitionspartner auszusuchen. Aber was will seine Wortwahl besagen?
Geläutert werden muss üblicherweise eine schmutzige Flüssigkeit. Geläutert werden müssen auch Verbrecher und Sünder von ihren Untaten und Lastern. Wofür übrigens (kleine Eigenwerbung!) das Fegefeuer ein hervorragend geeigneter Platz ist. Der SPÖ-Sekretär hat mit der Verwendung des Wortes „geläutert“also einen Einblick gewährt, wie die SPÖ über ihren Koalitionspartner denkt.
Das beruht sicher auf Gegenseitigkeit. Denn der ÖVP-Innenminister quittierte am Sonntag das Gerücht, der SPÖ-Verteidigungsminister wolle ihm sein Amt abknöpfen, mit der Feststellung: „Das klingt wirklich stark nach Fasching.“Auch das ist bemerkenswert. Denn das Wesen des Faschings ist es ja, dass man sich verkleidet und jemanden darzustellen versucht, der man gern wäre, aber nie zu sein imstande sein wird. Zum Beispiel Pirat oder Prin- zessin. Oder Clown. Jetzt kann sich Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil aussuchen, wie ihn Wolfgang Sobotka einschätzt . . .
Ein interessantes Wort verwendete kürzlich auch die Wissenschaftssprecherin der Grünen. Sie erklärte die hohe Zahl von Studienabbrechern in Österreich damit, dass es bei den Studenten teilweise zu einem „Abrutschen“in die Erwerbstätigkeit komme. Was wollte sie mit diesem Wort wohl ausdrücken?
Abrutschen tut man üblicherweise beim Bergsteigen in einen gähnenden, tödlichen Abgrund. Abrutschen kann man im übertragenen Sinn auch ins Drogenmilieu oder ins horizontale Gewerbe. Ähnlich schlimm scheint es nach Ansicht der grünen Wissenschaftssprecherin zu sein, einen Beruf zu ergreifen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Abgerutschten bald geläutert werden und ihr Laster beenden.