Trudeau testet, wie man mit Trump am besten umgeht
Kanadas Premier muss sein Verhältnis zum neuen Mann im Weißen Haus bestimmen und spricht sich dabei mit europäischen Staats- und Regierungschefs ab.
WASHINGTON, OTTAWA. Wenn der Premierminister Kanadas zum Treffen mit US-Präsident Donald Trump ins Weiße Haus kommt, könnte das eine rein nordamerikanische Veranstaltung sein. Die USA und Kanada verbinden eine gemeinsame Grenze, der gemeinsame Handel, bilaterale Fragen. Doch das Treffen des kanadischen Premierministers Justin Trudeau mit Trump scheint ein kniffliger außenpolitischer Schritt zu sein, der Abstimmung und Austausch mit Europa erfordert.
Trudeaus Besuch bei Trump flankieren jetzt Telefonate mit Paris und London, eine Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg (Donnerstag) und ein Empfang bei Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin (Freitag). Rückt das weltoffene Kanada in dieser Woche damit ein Stück näher an Europa, während Trudeau seine Haltung zum Nachbarn USA neu justiert?
Das vermutet jedenfalls die kanadische Nachrichtenagentur CP, die von Absprachen Trudeaus mit „nervösen europäischen Verbündeten“berichtet. Vor rund einer Woche telefonierte er mit Frankreichs Präsidenten François Hollande und mit Großbritanniens Premierministerin Theresa May, die als erste ausländische Regierungschefin mit Trump im Oval Office Platz genommen hatte. Gut möglich also, dass Trudeau bei der Britin etwas genauer nachhören wollte, wie die Begegnung denn so verlaufen sei. Gut möglich auch, dass Merkel vor einem ersten Treffen mit Trump ihrerseits wissen will, wie Trudeau den Republikaner so einschätzt. Bei dem Mittagessen im Bundeskanzleramt wolle sie mit Trudeau neben bilateralen Fragen auch über „die internationale Lage“sprechen, heißt es aus Berlin.
Drei Wochen nach Trumps Amtsantritt bleiben dies- und jenseits des Atlantiks Fragen zum neuen Mann im Weißen Haus offen. Trudeau dürfte sich an Zeiten des kumpelhaften Miteinanders erinnern, als er und Trumps Vorgänger Barack Obama bei gemeinsamen Auftritten wie Sunny Boys in die Kameras lächelten. Nun muss Trudeau entscheiden: Kuschelkurs oder Konfrontation? Eine gemeinsame Linie mit Partnern in Europa, die sich wie Kanada für grenzüberschreitenden Handel und Einwanderung einsetzen, könnte sich in einer Krise auszahlen.
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass Trudeau den von Trump als „unfair“kritisierten grenzübergreifenden Handel wird verteidigen müssen. Chrystia Freeland, die für das Freihandelsabkommen CETA zwischen Kanada und der EU gekämpft hatte, hat er dafür als neue Außenministerin bereits in Position gebracht. Sie und der neue Handelsminister François-Philippe Champagne sollen dafür sorgen, dass das Freihandelsabkommen NAFTA mit den USA und Mexiko unter Trump nicht in die Brüche geht.
Andererseits darf Trudeau nichts überstürzen. Mögliche Konflikte um NAFTA, Fragen zu gemeinsamer Grenze und Migration, Klimapolitik und dem Bau der Ölpipeline Keystone XL muss er behutsam angehen. Rechtlich hätte Trump wohl sogar die Macht, ganz ohne den USKongress aus dem seit dem Jahr 1994 geltenden NAFTA-Abkommen auszutreten. Da auch für Trump viel auf dem Spiel steht, ist wohl wahrscheinlicher, dass er Druck aufbaut, um einzelne Bedingungen der Vereinbarung neu auszuhandeln.