EU-Botschafter für die Türkei – ein tückischer Job
Christian Berger ist einer von zwei Österreichern im EU-Botschafterrang und hat den derzeit wohl schwierigsten Posten.
Christian Berger gibt üblicherweise keine Interviews. „Mit Absicht“, sagt der erfahrene EUDiplomat, der seit vier Monaten auf dem schwierigsten Botschafterposten sitzt: bei der EU-Vertretung in der Türkei. Berger ist eingesprungen. Sein – deutlich gesprächigerer – Vorgänger war in Ankara nach acht Monaten nicht mehr erwünscht. „Wogen glätten und kein Öl ins Feuer gießen“sei seine Strategie, berichtet Berger bei einem Kaffee im Kafenion, einem griechischen Lokal hinter der Zentrale der EU-Kommission in Brüssel.
Dass ausgerechnet ein Österreicher mit griechischer Ehefrau EU-Botschafter in Ankara wurde, ist delikat. Die Regierung in Wien drängte im September 2016 die gesamte EU – erfolglos – zum Abbruch der Türkei-Beitrittsverhandlungen, Ankara tobte. Und Christian Berger wartete auf die Bestätigung seiner Bestellung aus der Türkei. Es war eher er selbst, der Bedenken hatte, meint er. In der Türkei sei das bis dato kein Problem. Es werde angesprochen, aber immer mit dem Nachsatz: „Nehmen Sie es nicht persönlich.“
Warum das Verhältnis der Österreicher zur Türkei problematisch sei, sei schwierig zu erklären – auch nicht mit den Türkenkriegen: „Es gibt zwei Themen, die die Österreicher einen: Türkei und Nuklearenergie.“Die Arbeit in Ankara beschreibt der Diplomat als „aufregend“. Angesichts wiederholter Terroranschläge oder jüngst der Ermordung des russischen Botschafters scheint das untertrieben. Die politischen Spannungen zwischen EU und Türkei seien aber „nur ein Teil der Realität.“Die Zusammenarbeit bei Polizei, Zoll, Umwelt oder Soziales sei so groß wie nie und trotz der zeitweise scharfen Töne nicht gefährdet.
Ob die Türkei möglicherweise nie in die EU passen wird, beantwortet der frühere EU-Delegationsleiter in Jerusalem und Direktor für den gesamten Nahen Osten diplomatisch. „Ich weiß es nicht“, sagt er, spricht über Aufnahmekapazitäten und politische Abläufe, über Missverständnisse auf beiden Seiten. Was ein EU-Botschafter tun kann: die Kommunikationskanäle offenhalten, das Hilfsprogramm für syrische Flüchtlinge begleiten, Menschenrechtsverteidiger unterstützen und „auf beiden Seiten erklären, wie die jeweils andere Seite etwas sieht“.
Die Außenpolitik der EU ist aus seiner Sicht nicht so ineffizient, wie sie oft beschrieben wird. Ein Kollege habe die EU erst dieser Tage spöttisch als „gestrandeten Wal“, bezeichnet. Das habe auch gute Seiten: „Wir sind schwerfällig dabei, eine Entscheidung zu treffen, aber wenn sie getroffen ist, stehen die 28 dahinter.“
Und wenn es doch Rückschläge gibt? Dann könne man nur weiter machen. „Wenn man das negativ sieht, kommt der große Frust, und das habe ich mir von Anfang an geschworen, der wird nicht kommen.“Als EU-Diplomat, noch dazu im Nahen Osten, sei die Gefahr, zynisch zu werden, extrem groß. „Zynismus ist Gift“, sagt Berger, „weil er verhindert, dass man aktiv und konstruktiv etwas tut.“Brüssel, wo er etwa die Hälfte der rund 30 Jahre außerhalb Österreichs gelebt hat, bezeichnet er als „angenehmen Dienstort“. Aber es sei nicht seine Stadt, das sei vielmehr Wien oder Athen. Sicherheitsvorkehrungen müsse man heute überall treffen, sagt der NahostExperte, der während des ersten Golfkriegs in Gaza arbeitete und seine Mutter jeden Abend am Telefon beruhigen musste. Wenn man aber in einer Stadt Angst habe, müsse „man gehen“. MONIKA.GRAF@SALZBURG.COM