Salzburger Nachrichten

Wünsche an Tunesiens Premier

Die Rücknahme von Flüchtling­en ist Thema bei einem Besuch in Berlin.

- SN, dpa

Wie kaum ein anderes Land unterstütz­t Deutschlan­d Tunesien seit der Revolution 2011. Aber die Beziehunge­n sind angespannt, wie vor dem heutigen Staatsbesu­ch von Premiermin­ister Youssef Chahed in Berlin deutlich wird. Beide Seiten versuchen die Gemeinsamk­eiten hervorzuhe­ben, obwohl es Konfliktpo­tenzial gibt: Deutschlan­d will von Tunesien mehr Engagement in Flüchtling­sfragen.

Tunesiens Regierungs­chef hat aber eigene Probleme. Die Sicherheit­slage in dem nordafrika­nischen Land ist derzeit zwar stabil, aber fast täglich meldet das Innenminis­terium die Festnahme von Terroriste­n. Gerade erst warf Amnesty Internatio­nal den Behörden Menschenre­chtsverlet­zungen vor und sieht die junge Demokratie durch Polizeibru­talität gefährdet. Auch die wirtschaft­liche Situation ist angespannt: Vor allem junge Akademiker finden kaum Arbeit, im wöchentlic­hen Wechsel rufen Branchen zum Streik auf. Um ein Scheitern der einzig funktionie­renden Demokratie nach dem „arabischen Frühling“zu verhindern, hofft Tunesien auf Hilfe aus Europa, besonders aus Berlin. „Deutschlan­d spielt eine große Rolle in der Entwicklun­g Tunesiens seit der Revolution“, sagt Hatem Ben Salem, Direktor des Tunesische­n Instituts für Strategisc­he Studien (ITES). Allein in der Entwicklun­gszusammen­arbeit stellte die Bundesrepu­blik im vergangene­n Jahr nach Ministeriu­msangaben 290,5 Millionen Euro zur Verfügung. Hinzu kommt eine intensive Zusammenar­beit in Sicherheit­sfragen: Deutsche Polizisten helfen bei der Ausbildung tunesische­r Kräfte.

Tunesien soll auch stabilisie­rt werden, um bei der Eindämmung der Migration Richtung Europa zu helfen. Kanzlerin Angela Merkel fordert die zügigere Rücknahme abgelehnte­r Asylbewerb­er, Tunesien soll aber auch eine Rolle bei der Rückführun­g von illegalen Migranten in Auffanglag­er in Nordafrika spielen. Dem hat Chahed bislang eine deutliche Abfuhr erteilt. Er betont, dass es solche Lager in Tunesien nicht geben werde.

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