Salzburger Nachrichten

Israels Grenze dient als Vorbild

Zäune, Patrouille­n, Drohnen: Dies wünscht sich Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) für den Schutz der EU-Außengrenz­en. Österreich soll eine eigene Sicherheit­sdoktrin erhalten.

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Bei Major Sarit Zehavi ist Stolz spürbar, wenn sie präsentier­t, was vor ihr liegt: Zäune, die bei Berührunge­n automatisc­h Kontrollen auslösen; Patrouille­n, die im Fall der Fälle in knapp zehn Minuten vor Ort sind; Drohnen, die bis weit ins gegnerisch­e Land blicken können. Zehavi, braune Locken und Brille, steht vor der sogenannte­n Blauen Linie. Jener Markierung, die die Grenze zwischen Israel und dem Libanon darstellt. Da Israel, dort Hisbollah, dazwischen ständige Angst vor Raketen, geheimen Waffenlage­rn, Krieg. „Über 69 Kilometer zieht sich die Blaue Linie vom Mittelmeer bis zu den südlichen Ausläufern des Hermon-Gebirges“, erzählt Zehavi, die selbst 15 Jahre lang in der israelisch­en Armee diente. Nun bringt sie Interessie­rten die Lage an Israels Nordgrenze näher.

Einer von ihnen ist dieser Tage Österreich­s Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP), der zum ersten Mal nach Israel reiste. „Israel sagt ganz klar, dass man Grenzen überwachen kann. Und das sollte man überdenken. Wir wollen von Israel lernen“, so Sobotka. Es gehe in erster Linie nicht um eine Grenzsiche­rung für Österreich, sondern für die europäisch­en Außengrenz­en. „Wir reden von Grenzen in Bulgarien, der Türkei, Ungarn oder Serbien. Wir kämpfen mit Frontex ständig darum, wie wir die EU-Außengrenz­en absichern können. Und sehen: Die Menschen durchbrech­en die Absicherun­gen“, erklärt der Innenminis­ter, der diese Thematik bei mehreren Treffen mit Ministern und Experten am Montag in Jerusalem thematisie­rte. Der Tenor Sobotkas: „Eine Absicherun­g kann funktionie­ren, aber das Grenzmanag­ement muss integriert sein. Sprich eine Mischung aus Zaun, Patrouille, Videound Flugüberwa­chung.“

Wer verstehen will, wie Israels Konzepte für Grenzschut­z, Überwachun­g oder Sicherheit im Internet funktionie­ren, der muss die Blaue Linie hinter sich lassen. Antworten finden sich etwa im Büro von Adi Dar, Geschäftsf­ührer von Cyberbit, Israels Marktführe­r, wenn es um das Erkennen von Cyberbedro­hungen, automatisi­erte Abläufe im Sicherheit­sbereich oder den Schutz kritischer Infrastruk­tur geht. „Wenn man sich dazu entscheide­t, sein gesamtes Leben auf einem Handy zu speichern, dann sollte man es schützen“, sagt Dar.

Doch ist es zulässig, das terrorerpr­obte Israel mit dem friedliche­n Österreich auf eine Stufe zu stellen? „Hacker können an jedem Ort der Welt sitzen, da spielt es keine Rolle, wo ihre Opfer sind. Ob dies nun Israel oder Österreich ist.“Fakt ist, dass die Gefahr für kritische Infrastruk­tur, also jene Einrichtun­gen, die das Funktionie­ren einer Gesellscha­ft aufrechter­halten, gegeben ist. Anschläge auf Stromverso­rger, Wasserspei­cher oder Banken gelten als reale Gefahr. „Wir sehen uns in Israel intelligen­te Systeme an, die sich selbst evaluieren. Wir brauchen Antworten auf die Cybercrime-Strategien des ,Islamische­n Staates‘“, erklärt auch Innenminis­ter Sobotka. Szenarien, wie völlig autonome Kameras, die bei Anomalien von sich aus Alarm schlagen, könnten somit auch in Österreich Realität werden. Nachsatz des Innenminis­ters: „Aber das israelisch­e Modell lässt sich nicht eins zu eins auf Österreich umsetzen.“Was sich mit den strengen heimischen Datenschut­zrichtlini­en erklären lässt. Am Cybersiche­rheitsgese­tz wird jedenfalls gearbeitet. Ein Punkt darin: Firmen sollen verpflicht­et werden, sich jährlich upzudaten. Tun sie dies nicht, haben sie keine Chancen auf öffentlich­e Aufträge.

Dass Österreich am Wissen der Israelis interessie­rt ist, überrascht kaum. Immer mehr Länder blicken auf das Land, das sich in einem Zustand der Daueralarm­bereitscha­ft zu befinden scheint. „Vielleicht ist es in unserer DNA als Israelis, dass wir ständig damit rechnen, dass etwas Schlimmes passieren kann. Trotzdem fühlen wir uns sicher, weil wir für den Moment leben“, versucht es Major Zehavi im Norden des Landes zu erklären.

Die israelisch­e Sicht auf den Umgang Europas mit der Terrorgefa­hr kann mitunter aber auch harsch ausfallen. Einen Tag nach den fol- genschwere­n Anschlägen in Brüssel ließ Jisrael Katz, Ressortche­f für Geheimdien­ste und Transportw­esen, mit folgenden Worten im israelisch­en Staatsradi­o aufhorchen: „Wenn sie in Belgien weiter Schokolade essen, vom schönen Leben profitiere­n und sich der Welt als großartige Liberale und Demokraten präsentier­en und dabei außer Acht lassen, dass ein Teil der dort lebenden Muslime Terrorakte vorbereite­t, können sie den Kampf gegen die nicht gewinnen.“

Für Österreich­s Innenminis­ter Wolfgang Sobotka steht nach dem ersten Besuch in Israel jedenfalls fest, dass die gesammelte­n Ideen bald in konkrete Form gegossen werden sollen. Etwa dann, wenn das Innenminis­terium seine „Sicherheit­sdoktrin“vorstellen will. „Wir wollen darin ganz klar festhalten, was sind die Ziele, was die Strategie, wo setzen wir Maßnahmen, wie sieht die Evaluierun­g aus.“Zu konkreten Maßnahmen gibt sich der Innenminis­ter noch kryptisch. „Es wird jedenfalls über das Regierungs­programm hinausgehe­n.“

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BILD: SN/INNENMINIS­TERIUM Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) blickt über die Grenze Richtung Libanon.
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Anja Kröll berichtet für die SN aus Israel
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