Billig ist nicht alles
Milch der billigsten Eigenmarken ist jetzt weniger gefragt. Dafür verzeichnen regionale Marken Zuwächse. Für einige ist das eine erste zaghafte Trendwende, für andere ist es ein Zufall.
„Die Marke muss spannend bleiben.“Peter Schnedlitz, Handelsforscher
Für Österreichs Milchmanager ist der Trend eindeutig: Nach zuletzt hitzigen Diskussionen über Milchpreise und den Wert der heimischen Landwirtschaft habe bei manchen Konsumenten ein Umdenken eingesetzt. Das lasse sich mittlerweile auch an den Zahlen ablesen: Hat es in den vergangenen Monaten bei jener Milch, die man für die Billigst-Eigenmarken an den Handel liefert, teils kräftige Rückgänge gegeben, konnte bei Milch der eigenen regionalen Marken, aber auch bei der höherwertigen Bio- oder Heumilch der Handelsmarken deutlich zugelegt werden. Auch für Joghurt und Sauerrahm gelte das Gleiche, heißt es in vielen Molkereien unisono.
„Die Auswirkungen sind sicher noch nicht berauschend. Die Konsumentenschicht, die Wert auf Regionalität und Herkunft legt und gerade bei landwirtschaftlichen Produkten nicht mehr nur auf jeden Cent schaut, ist aber sicher größer geworden“, sagt Helmut Petschar, der Sprecher der heimischen Milchwirtschaft und Chef der Kärntnermilch. Auch im eigenen Unternehmen habe es zuletzt Zuwächse bei der eigenen Marke gegeben.
Rückgänge bei der billigen S-Budget-Milch bestätigt auch Spar-Sprecherin Nicole Berkmann. Bei Spar sieht man dafür aber andere Gründe: Die zuletzt gestiegenen Milchpreise hätten dazu geführt, dass man die Preise bei der Eigenmarke angehoben habe, bei Markenprodukten würden Preisänderungen dagegen zeitverzögert umgesetzt. „Dadurch ist zuletzt der Preisunterschied so gering, dass viele Kunden nicht mehr zum billigsten Produkt greifen“, sagt Berkmann. S-BudgetMilch kostet im Handel 85 Cent, Milch der Spar-Eigenmarke, aber auch von Clever (Billa) oder Milfina (Hofer) 95 Cent, Milch der regiona- len Marken kostet bei Spar 1,15 , bei den anderen Supermärkten 1,19 Euro. Biomilch kostet 1,29 Euro. Auch beim Konkurrenten Rewe (Billa, Merkur, Adeg, Penny) erkennt man keinen neuen Trend. Die „Ja!Natürlich“-Milch habe zwar zuletzt trotz des hohen Preises um über zehn Prozent zugelegt, sagt Rewe-Sprecher Paul Pöttschacher, doch auch Clever-Milch sei gewachsen.
Der Eigenmarkenanteil im Lebensmittelhandel ist mittlerweile beachtlich. 39 Prozent sind es laut Angaben des Handels über das gesamte Sortiment. Geht es um frische Lebensmittel, so sind die Handelsmarken noch weit stärker. 51 Prozent erreichte ihr Anteil nach den jüngsten Daten der Agrarmarkt Austria (AMA) von 2015. Bei Eiern (77 Prozent), Wurst und Schinken (55) ist er besonders hoch. Und der Anteil ist seit Jahren stark steigend. Nur bei der Milch gab es auch laut AMA-Daten zuletzt einen leichten Rückgang von 51 auf 50 Prozent. „Die Daten schwanken aber in so geringem Ausmaß, dass das noch wenige Rückschlüsse zulässt“, meint AMA-Sprecherin Manuela Schürr.
Europaweit diskutieren Handelsexperten, ob es eine Grenze gibt, über die der Anteil der Eigenmarke nicht steigen sollte, ohne dem Handel selbst zu schaden. „Ich glaube, dass in Österreich bei den Handelsmarken der Höhepunkt bereits erreicht ist“, sagt Peter Schnedlitz, Vorstand des Instituts für Handel und Marketing an der Wirtschaftsuniversität Wien. So führten weltpolitisch unsichere Zeiten immer dazu, zu regionalen Marken zurückzukehren. Vor allem aber laufe der Handel – und dabei gerade die Supermärkte – bei einem zu hohen Anteil an Eigenmarken Gefahr, langweilig zu werden. „Eine gute Eigenmarke steht dafür, Bewährtes in guter Qualität beizubehalten, ein Markenprodukt muss daneben immer wieder Neues entwickeln und spannend bleiben.“Gingen die Markenprodukte verloren, fehle das Geld, das in Innovation gesteckt werde, sagt der Handelsexperte.
Eine klare Grenze, ab wann es zu wenige Marken im Angebot gebe, sei freilich schwer zu ziehen, sagt Schnedlitz. „Vor zehn Jahren habe ich gesagt, die Eigenmarken werden die 20-Prozent-Marke nicht überschreiten, da liegen wir längst darüber.“Dazu habe freilich auch geführt, dass einstige No-name-Produkte mittlerweile alle der eigenen Marke des Händlers zugerechnet würden. „Gab es früher einfach Zitronen oder Äpfel, so hat heute jedes Stück das Pickerl mit dem Namen des Händlers drauf.“
In Österreich gebe es zudem die skurrile Entwicklung, dass Diskonter immer stärker auf Markenartikel setzten, Supermärkte sich aber als der bessere Diskonter bewürben. „Schauen Sie sich die HoferMutter Aldi oder Lidl in Deutschland an, kein Diskonter hat so viele Marken- und Bioprodukte wie die Diskonter in Österreich.“Eine Gefahr sieht Schnedlitz für beide Seiten. Der Diskonter drohe den Anspruch auf Preisführerschaft zu verlieren, die Supermärkte das Alleinstellungsmerkmal, neben Eigenmarken eine breite Auswahl an Markenprodukten zu bieten. Der Handel dagegen betont, dass Eigenmarken auch Innovationen liefern. „Ob vegetarisch oder laktosefrei, wir bieten heute Eigenmarken, die es in dieser Form in der Markenartikelindustrie überhaupt nicht gibt“, sagt Spar-Sprecherin Berkmann.