Salzburger Nachrichten

Flucht ist kein Kavaliersd­elikt

Karambolag­en und Unfälle auf den Skipisten sind nicht zu verhindern. Kriminell wird es erst, wenn der Verursache­r einen Verletzten im Stich lässt und sein Heil in der Flucht sucht.

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SALZBURG. Sonntagnac­hmittag auf einer Skipiste in St. Johann: Zwei befreundet­e deutsche Skifahrer, 52 und 53 Jahre alt, stoßen zusammen, stürzen schwer und bleiben bewusstlos liegen. Sie werden von nachfolgen­den Skifahrern gefunden, die sofort Hilfe holen. Karambolag­en wie diese passieren täglich auf Salzburgs Skipisten, wie die jüngsten Unfallzahl­en des Kuratorium­s für Alpine Sicherheit zeigen: „Im Zeitraum vom 1. Dezember 2016 bis 13. Februar 2017 sind 474 Unfallerei­gnisse im gesicherte­n Skiraum mit 794 Beteiligte­n von der Alpinpoliz­ei erfasst worden“, sagte Dagmar Walter vom Kuratorium. Dabei handelt es sich um Fälle, in denen die Exekutive wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung ermitteln muss.

Wie hoch dabei der Anteil jener Skiunfälle ist, bei denen ein Beteiligte­r die Flucht ergriffen hat, ist in dieser aktuellen Datenbank noch nicht ausgewerte­t. In der vergangene­n Wintersais­on wurden innerhalb von fünf Monaten 218 sogenannte Fahrerfluc­htunfälle auf Salzburgs Skipisten von der Alpinpoliz­ei registrier­t. Für die Exekutive kein Kavaliersd­elikt.

„Wobei der Begriff Fahrerfluc­ht so nicht zutreffend ist“, sagte Mario Rieder, Chef der Alpinen Einsatzgru­ppe (AEG) in Salzburg. Vielmehr handle es sich um unterlasse­ne Hilfeleist­ung bzw. Im-Stich-Lassen eines Verletzten. „Denn es geht in erster Linie darum, ob bei einem Skiunfall zwischen zwei oder mehreren Skifahrern eine Sorgfaltsw­idrigkeit vorliegt.“Ein Ausrutsche­n und Sturz auf einer plötzlich auftauchen­den Eisplatte und eine darauf folgende Karambolag­e mit einem anderen Skifahrer könne jedem passieren. „Eine solche Verschulde­nsfrage wird bei Gericht geklärt. Oft gibt es kein Urteil, vielmehr eine Diversion im kurzen Weg. Also sollte niemand Angst haben, bei einem so verschulde­ten Unfall eine Strafe zu erhalten, und flüchten.“Anders sei es, wenn ein geflüchtet­er Verursache­r später ausgeforsc­ht werden kann.

Dass dies nicht jeder so sieht, hat sich, wie kurz berichtet, am vergangene­n Wochenende beispielsw­eise in Obertauern gezeigt: Dort wurde am Samstag bei Zusammenst­ößen eine 62-jährige Wienerin auf der Hundskogel­abfahrt verletzt, wenig später eine 71-jährige Wienerin im Bereich Grünwaldko­pf. Bei einem dritten Unfall ist eine 37-jährige Deutsche einem Snowboardf­ahrer ausgewiche­n, gegen ein Brückengel­änder geprallt und verletzt worden. In allen Fällen sind die angebliche­n Unfallveru­rsacher weitergefa­hren.

„Wenn wir über Verletzung­sanzeigen eines Arztes oder des Betroffene­n selbst Kenntnis von Unfällen bekommen, ermitteln wir wie in jedem strafbaren Tatbestand auch“, sagten die Polizisten in Obertauern. Dass die Aufklärung­squote bei Fahrerfluc­htunfällen auf Skipisten nicht allzu hoch sei, liege in der besonderen Situation: viele Menschen, Schock bei Verletzten und oft auch geringe Zivilcoura­ge von Augenzeuge­n. „Gerade Augenzeuge­n, die geflüchtet­e Winterspor­tler genau beschreibe­n können, sind bei der Aufklärung wichtig“, betonte Mario Rieder.

Man arbeite auch eng mit dem Personal von Liftanlage­n zusammen, das immer wieder wertvolle Informatio­nen aus seinen Beobachtun­gen geben könne.

Im Falle eines Skiunfalls mit Verletzung dürfe man als Augenzeuge einen flüchtende­n Verursache­r nach dem Anhalterec­ht bis zum Eintreffen der Polizei festhalten, sagten die Polizisten in Obertauern.

„Es gibt keinen Grund für Flucht, wenn die Sorgfalt passt.“Mario Rieder, Alpinpoliz­ei

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BILD: SN/BERTHOLD SCHMID Auch bei den Liftstatio­nen ermitteln Polizisten (im Bild Sarah Schwarz und Peter Lerchner von der PI Obertauern), um Hinweise auf Skifahrer zu bekommen, die nach Unfällen geflüchtet sind.
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