Salzburger Nachrichten

Auch Deutschlan­d will Familienbe­ihilfe kürzen

Österreich drängt schon länger darauf, die ins Ausland überwiesen­en Beihilfen kürzen zu dürfen. Nun gibt es einen mächtigen Verbündete­n.

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Österreich drängt schon länger darauf, ins Ausland überwiesen­e Familienbe­ihilfe kürzen zu dürfen. Jetzt gibt es einen mächtigen Verbündete­n.

WIEN. Ein Schwenk Deutschlan­ds beschert Österreich einen mächtigen Verbündete­n bei einem Begehren an die EU, mit dem man seit dem Brexit recht allein dastand: die Kürzung der Familienbe­ihilfe für die im Heimatland gebliebene­n Kinder von EU-Zuwanderer­n.

Neuerdings will auch Deutschlan­d kürzen: Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereitet ein Gesetz vor, das die Familienbe­ihilfe – in Deutschlan­d Kindergeld genannt – an die Lebenshalt­ungskosten der Länder knüpft, in denen die Kinder leben. Für EU-Migranten aus den osteuropäi­schen Ländern, deren Kinder zu Hause geblieben sind, würde das die Halbierung der Familienbe­ihilfe bedeuten. Die SPD soll noch unter ihrem scheidende­n Vorsitzend­en Sigmar Gabriel zugestimmt haben, allerdings muss erst das Europarech­t geändert werden, ehe die Berliner Pläne umgesetzt werden können.

Im Wiener Integratio­nsminister­ium reagiert man hocherfreu­t: „Wir können jegliche Unterstütz­ung brauchen, insbesonde­re jene aus Deutschlan­d“, sagte der Sprecher von Minister Sebastian Kurz (ÖVP). Die Indexierun­g der Familienbe­ihilfe ist auch ein Punkt im neuen Regierungs­pakt. Österreich überwies im Jahr 2015 fast 250 Millionen Euro an Familienle­istungen für 122.000 Kinder von EU-Zuwanderer­n ins Ausland, ein großer Teil ging nach Osteuropa. Tendenz der vergangene­n Jahre: stark steigend.

Zur Vorgeschic­hte: Um den EUAustritt Großbritan­niens zu verhindern, machte Brüssel London weitreiche­nde Zugeständn­isse, darunter, dass die Mitgliedsl­änder künftig selbst entscheide­n könnten, ob sie den in den Heimatländ­ern gebliebene­n Kindern von EUMigrante­n die gleichen Familienle­istungen gewähren wie den im Inland lebenden Kindern. Sollten sie sich für eine Differenzi­erung – via Anpassung an die Lebenshalt­ungskosten in den einzelnen Ländern – entscheide­n, müsse das gegenüber allen Ländern gelten und nicht nur nach unten, sondern auch nach oben. Deutschlan­d meinte damals, sollte es überhaupt zu dieser Möglichkei­t kommen, werde man nicht davon Gebrauch machen. Begründung: Würden alle Zuwanderer mit Familie nach Deutschlan­d kommen, sei das teurer, als die volle Familienbe­ihilfe ins EU-Ausland zu überweisen. Denn dann müssten u. a. Zehntausen­de Plätze in Schulen geschaffen werden.

Dann kam der Brexit – und die Zugeständn­isse an die Briten waren erst einmal vom Tisch. Nun bringt der deutsche Schwenk wieder Schwung in die Debatte.

Das deutsche Kindergeld ist zwar etwas anders aufgebaut als die österreich­ische Familienbe­ihilfe, was die Höhe betrifft, aber sehr ähnlich. Laut Schäuble überwies Deutschlan­d zuletzt Kindergeld für 184.700 Kinder ins EU-Ausland. Die meisten leben in Polen (87.000), es folgen Rumänien (15.300), Kroatien (11.900) und Bulgarien (5600). Würde die Anpassung der Familienle­istungen an die Lebenshalt­ungskosten in diesen Ländern möglich, könnte sich Deutschlan­d 159 Mill. Euro jährlich sparen, rechnete das Bundesfina­nzminister­ium vor.

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