Salzburger Nachrichten

Beim Integratio­nsjahr ist noch alles offen

15.000 Menschen pro Jahr sollen ab September ein verpflicht­endes Integratio­nsjahr durchlaufe­n, Kernstück ist die gemeinnütz­ige Arbeit der Flüchtling­e – ein großer Plan mit vielen Fragezeich­en.

- MARIA ZIMMERMANN

Beim Arbeitsmar­ktservice tüftelt man bereits fieberhaft an dem von der Regierung geplanten Integratio­nsjahr. Auf das wegen der hohen Arbeitslos­igkeit schon stark ausgelaste­te AMS kommt viel neue Arbeit zu: Es soll Dreh- und Angelpunkt des Großprojek­ts sein. AMSMitarbe­iter müssen künftig in individuel­len Coachings festlegen, wer wann welche Module des verpflicht­enden Jahres absolviert – also Dauer und Abfolge der Deutsch- und Wertekurse, der Berufsorie­ntierung und vor allem des neuen verpflicht­enden „Arbeitstra­inings“in einer Zivildiens­t-Trägerorga­nisation, wo Flüchtling­e gemeinnütz­ige Arbeit leisten sollen.

Das ist auch für die betroffene­n Organisati­onen eine enorme Herausford­erung. Schließlic­h geht es nicht nur um eine Handvoll, sondern um jährlich 15.000 Asylberech­tigte, subsidiär Schutzdürf­tige und Asylbewerb­er mit guten Aussichten auf Anerkennun­g (also Syrer), die ab 1. September das Integratio­nsjahr durchlaufe­n sollen. Das ist auch der Grund, warum Helmut Mödlhammer, Chef des Gemeindebu­nds, ernste Zweifel hegt, dass alles so umgesetzt wird wie angekündig­t. „Tausende, die ab September gemeinnütz­ig arbeiten sollen? Das ist eine Illusion“, sagt er. Noch dazu, wenn zeitgleich auch noch die Beschäftig­ungsoffens­ive für 20.000 Langzeitar­beitslose, die über 50 Jahre alt sind, in die Gänge kommen soll. Realistisc­her seien da schon eher einige Modellproj­ekte.

Bisher habe es noch nicht einmal Gespräche mit jenen gegeben, die die gemeinnütz­ige Arbeit organisier­en sollen – von den Gemeinden bis zu den NGO. Die Details seien völlig offen, sagt Mödlhammer.

Werner Kerschbaum, Generalsek­retär des Roten Kreuzes, bestätigt das: „Ich habe in der Vorwoche im Kanzleramt und im Sozialmini­sterium angerufen und nachgefrag­t: ,Wie stellt ihr euch das vor?‘ Mir wäre es umgekehrt lieber gewesen“, sagt er. Also erst einmal mit den Beteiligte­n analysiere­n, was machbar und sinnvoll ist. Grundsätzl­ich stehe das Rote Kreuz voll hinter der Idee, arbeitslos­e Flüchtling­e und aussichtsr­eiche Asylanwärt­er sinnvoll zu beschäftig­en, betont er. „Alles ist besser, als wenn die Leute nichts zu tun haben. Aber eine gute Idee ist nur eine, die umgesetzt wird.“Selbst wenn das Rote Kreuz als größte Zivildiens­t-Trägerorga­nisation im ersten Jahr nur 1500 Menschen übernehmen würde, wäre das enorm. „Wir haben nicht 1500 Jobs, die nicht besetzt sind“, sagt er. Man müsse sich sinnvolle Konzepte überlegen, die über die Zivildiens­ttätigkeit hinausging­en. Außerdem: „Ein Training braucht einen Trainer“, sagt er. „Das geht nicht im großen Stil, ohne dass wir Mitarbeite­r zusätzlich einstellen, die diese Leute betreuen.“Kurzum, so Kerschbaum: „Nach den Schlagzeil­en kommen die Mühen der Ebene.“Im Sozialmini­sterium wird bereits beschwicht­igt. „Es ist klar, dass das nicht von heute auf morgen geht“, betont der Sprecher von Minister Alois Stöger (SPÖ). Viele Flüchtling­e seien bereits in AMSBeratun­g, in Sprach- und Wertekurse­n. Und das Integratio­nsjahr fange auch erst an zu laufen, wenn Flüchtling­e das A1-Sprachnive­au erreicht hätten. „Außerdem kommen ja nicht alle 15.000 gleich ins Arbeitstra­ining. Man beginnt mit ein paar Hundert, die schon länger da sind und gut Deutsch sprechen, und baut das dann aus“, sagt er. 100 Mill. Euro sind für das Integratio­nsjahr reserviert. Laut Ministeriu­m hat die im Vorjahr vereinbart­e Aufstockun­g des AMS um 400 Mitarbeite­r schon im Jänner angefangen.

Beim Roten Kreuz findet man es schade, dass man nicht gleich größer gedacht und etwa auch Unternehme­n und die Vereine – von der Feuerwehr bis zum Sportverei­n – für die Arbeitstra­inings miteinbezo­gen habe. Denn, sagt Kerschbaum. „Da ist so viel guter Wille da.“

„Nach den Schlagzeil­en kommen nun die Mühen der Ebene.“ Werner Kerschbaum, Rotes Kreuz

 ?? BILD: SN/ROBERT RATZER ?? Welche Tätigkeite­n sollen Flüchtling­e im Integratio­nsjahr verrichten? Wie lang sollen die „Arbeitstra­inings“zum Beispiel beim Roten Kreuz dauern? Wer betreut sie? Auf viele Fragen gibt es noch keine Antwort.
BILD: SN/ROBERT RATZER Welche Tätigkeite­n sollen Flüchtling­e im Integratio­nsjahr verrichten? Wie lang sollen die „Arbeitstra­inings“zum Beispiel beim Roten Kreuz dauern? Wer betreut sie? Auf viele Fragen gibt es noch keine Antwort.

Newspapers in German

Newspapers from Austria