Beim Integrationsjahr ist noch alles offen
15.000 Menschen pro Jahr sollen ab September ein verpflichtendes Integrationsjahr durchlaufen, Kernstück ist die gemeinnützige Arbeit der Flüchtlinge – ein großer Plan mit vielen Fragezeichen.
Beim Arbeitsmarktservice tüftelt man bereits fieberhaft an dem von der Regierung geplanten Integrationsjahr. Auf das wegen der hohen Arbeitslosigkeit schon stark ausgelastete AMS kommt viel neue Arbeit zu: Es soll Dreh- und Angelpunkt des Großprojekts sein. AMSMitarbeiter müssen künftig in individuellen Coachings festlegen, wer wann welche Module des verpflichtenden Jahres absolviert – also Dauer und Abfolge der Deutsch- und Wertekurse, der Berufsorientierung und vor allem des neuen verpflichtenden „Arbeitstrainings“in einer Zivildienst-Trägerorganisation, wo Flüchtlinge gemeinnützige Arbeit leisten sollen.
Das ist auch für die betroffenen Organisationen eine enorme Herausforderung. Schließlich geht es nicht nur um eine Handvoll, sondern um jährlich 15.000 Asylberechtigte, subsidiär Schutzdürftige und Asylbewerber mit guten Aussichten auf Anerkennung (also Syrer), die ab 1. September das Integrationsjahr durchlaufen sollen. Das ist auch der Grund, warum Helmut Mödlhammer, Chef des Gemeindebunds, ernste Zweifel hegt, dass alles so umgesetzt wird wie angekündigt. „Tausende, die ab September gemeinnützig arbeiten sollen? Das ist eine Illusion“, sagt er. Noch dazu, wenn zeitgleich auch noch die Beschäftigungsoffensive für 20.000 Langzeitarbeitslose, die über 50 Jahre alt sind, in die Gänge kommen soll. Realistischer seien da schon eher einige Modellprojekte.
Bisher habe es noch nicht einmal Gespräche mit jenen gegeben, die die gemeinnützige Arbeit organisieren sollen – von den Gemeinden bis zu den NGO. Die Details seien völlig offen, sagt Mödlhammer.
Werner Kerschbaum, Generalsekretär des Roten Kreuzes, bestätigt das: „Ich habe in der Vorwoche im Kanzleramt und im Sozialministerium angerufen und nachgefragt: ,Wie stellt ihr euch das vor?‘ Mir wäre es umgekehrt lieber gewesen“, sagt er. Also erst einmal mit den Beteiligten analysieren, was machbar und sinnvoll ist. Grundsätzlich stehe das Rote Kreuz voll hinter der Idee, arbeitslose Flüchtlinge und aussichtsreiche Asylanwärter sinnvoll zu beschäftigen, betont er. „Alles ist besser, als wenn die Leute nichts zu tun haben. Aber eine gute Idee ist nur eine, die umgesetzt wird.“Selbst wenn das Rote Kreuz als größte Zivildienst-Trägerorganisation im ersten Jahr nur 1500 Menschen übernehmen würde, wäre das enorm. „Wir haben nicht 1500 Jobs, die nicht besetzt sind“, sagt er. Man müsse sich sinnvolle Konzepte überlegen, die über die Zivildiensttätigkeit hinausgingen. Außerdem: „Ein Training braucht einen Trainer“, sagt er. „Das geht nicht im großen Stil, ohne dass wir Mitarbeiter zusätzlich einstellen, die diese Leute betreuen.“Kurzum, so Kerschbaum: „Nach den Schlagzeilen kommen die Mühen der Ebene.“Im Sozialministerium wird bereits beschwichtigt. „Es ist klar, dass das nicht von heute auf morgen geht“, betont der Sprecher von Minister Alois Stöger (SPÖ). Viele Flüchtlinge seien bereits in AMSBeratung, in Sprach- und Wertekursen. Und das Integrationsjahr fange auch erst an zu laufen, wenn Flüchtlinge das A1-Sprachniveau erreicht hätten. „Außerdem kommen ja nicht alle 15.000 gleich ins Arbeitstraining. Man beginnt mit ein paar Hundert, die schon länger da sind und gut Deutsch sprechen, und baut das dann aus“, sagt er. 100 Mill. Euro sind für das Integrationsjahr reserviert. Laut Ministerium hat die im Vorjahr vereinbarte Aufstockung des AMS um 400 Mitarbeiter schon im Jänner angefangen.
Beim Roten Kreuz findet man es schade, dass man nicht gleich größer gedacht und etwa auch Unternehmen und die Vereine – von der Feuerwehr bis zum Sportverein – für die Arbeitstrainings miteinbezogen habe. Denn, sagt Kerschbaum. „Da ist so viel guter Wille da.“
„Nach den Schlagzeilen kommen nun die Mühen der Ebene.“ Werner Kerschbaum, Rotes Kreuz