Der Fuchs, die Gans und der Kampf an der falschen Front
Linke und Liberale verzetteln ihre Energie im Ringen um ehrenwerte, aber gleichzeitig oft nebensächliche Themen.
Die Nachricht erschien in den SN unter dem Titel „Verrückt“: In der deutschen Stadt Limburg nahm der Bürgermeister das Lied „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“aus dem Programm des örtlichen Glockenspiels, weil sich eine Frau wegen der Textpassage „sonst kommt dich der Jäger holen mit dem Schießgewehr“unwohl gefühlt hatte. Die Dame ist Veganerin und offenbar deshalb besonders sensibel gegen jede Form von Gewalt gegen Tiere. Erstaunlich freilich, dass sie sich an der Gewalt des Fuchses gegen die Gans nicht gestört hatte. Erstaunlich auch, dass sie als Veganerin den Text des Liedes überhaupt kannte (das Glockenspiel konnte ja nur die Melodie reproduzieren).
Die Story wäre allenfalls Anlass für homerisches Gelächter, zeigte sie nicht eine tiefere Strömung im gesellschaftlichen Diskurs unserer Tage. Ein erheblicher Teil der Gesellschaft befasst sich mit durchaus wichtigen Themen wie Gewaltfreiheit und Gleichberechtigung der Geschlechter auf eine Weise, die weder diesen Themen gerecht werden noch Ungerechtigkeiten beseitigt. Der Tanz ums Binnen-I, der Versuch, das Wörtchen „man“aus dem Sprachschatz öffentlicher Dokumente zu verbannen, der Zwang, Diplomarbeiten und Dissertationen „gendergerecht“abzufassen – all das kostet Energie, macht viel Wirbel und bewirkt rein gar nichts. Genauso die Kämpfe um fleischfreie Tage in Parlamentskantinen, Kampagnen gegen Impfaktionen und für Unisex-Toiletten für Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau definieren wollen. Jedes dieser Anliegen ist durchaus verständlich, aber sie gewinnen zeitweise eine Bedeutung, die das Ringen zwischen grundlegend gegensätzlichen Konzepten von Politik und Demokratie überschattet.
Zur gleichen Zeit verabsäumen es Linke und Liberale, sich den wirklichen Bedrohungen unseres politischen und gesellschaftlichen Lebens zu stellen. Viel zu lang hat man zugeschaut, wenn populistische Politiker mit atemberaubenden Lügen und irrwitzigen Verdrehungen auf Stimmenfang gingen. Das hat schon bei Jörg Haiders „Läusejoghurt“(im EU-Wahlkampf vor 23 Jahren) begonnen und endet noch lang nicht bei Heinz-Christian Straches erfundenen und über Facebook verbreiteten Plünderungen von Supermärkten durch Flüchtlinge. Linke und Liberale haben in zwei Jahrzehnten kein Rezept gefunden, wie sie den schmutzigen Methoden jener Populisten begegnen könnten, die dem Volk zuerst riesige Gefahren vorgaukeln, ihm Ängste einreden und hinterher behaupten, sie seien die Einzigen, die sich um die Sorgen der Bevölkerung kümmerten. Stattdessen vergeudet ein Teil der Gesellschaft Energien im Streit untereinander, wo es viel wichtiger wäre, sich autoritären Gelüsten der Rechtspopulisten entgegenzustellen.