Salzburger Nachrichten

US-Presse boomt dank Trump

Auf der Suche nach der Wahrheit sucht die von dem neuen Präsidente­n verunsiche­rte Bevölkerun­g Orientieru­ng durch die Berichte und Analysen seriöser Zeitungen und Zeitschrif­ten.

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Dass das US-Kabelferns­ehen von Donald Trumps schrillem Wahlkampf profitiert hat, ist kein Geheimnis. Viele sehen in der oft unkritisch begleitete­n Bildschirm­präsenz einen Grund für seinen Erfolg. Doch es gibt auch eine Gegenbeweg­ung, die sich seit Trumps Wahlsieg beschleuni­gt: Kritische Printmedie­n verzeichne­n einen Anstieg ihrer Abonnement­zahlen, Non-Profit-Rechercheu­re vermehrte Spenden. Manche Redaktione­n wollen nun personell aufstocken: „Fake News“im Wahlkampf und eine Regierung, die „alternativ­e Fakten“verbreitet, nähren die Sehnsucht nach verlässlic­her Informatio­n.

Im Dezember erschien das Hochglanzm­agazin „Vanity Fair“mit einer vernichten­den Kritik über das Steakhouse im Trump Tower in Manhattan. Der frischgeba­ckene Wahlsieger schlug postwenden­d zurück. „Hat sich irgendwer mal die wirklich schlechten Zahlen des Magazins @VanityFair angesehen“, twitterte der 70-Jährige. „Tief unten, große Probleme, tot!“

Trump’sche Online-Ausbrüche haben schon Aktienkurs­e ins Wanken gebracht, doch diesmal geschah etwas anderes: „Vanity Fair“warb als „Magazin, von dem Trump nicht will, dass Sie es lesen“, machte ein Sonderange­bot – und fand binnen 24 Stunden 13.000 neue Abonnenten für ein Print- und Online-Paket. Einen Monat später waren knapp 68.000 weitere dazugekomm­en, die meisten zu regulären Konditione­n.

Printmedie­n, die sich durch kritische Recherche hervortate­n, stießen schon im Wahlkampf auf erhöhtes Interesse. Der populäre Comedian John Oliver rief in einem Beitrag über „Fake News“dazu auf, „echten Journalism­us“zu unterstütz­en. Nach Trumps Wahlsieg stiegen die Auflagen bei vielen Publikatio­nen besonders stark.

„Zwischen dem Wahltag am 8. 11. und Samstag, 26. 11., erlebte die ,New York Times‘ (NYT) einen Nettozuwac­hs von rund 132.000 bezahlten Abonnement­s unserer Nachrichte­nangebote, gedruckt und digital“, teilte eine Verlagsspr­echerin auf Anfrage mit. Bis Ende des vierten Quartals hatte das Blatt mehr digitale Abonnenten hinzugewon­nen als in den Jahren 2013 und 2014 zusammen. Fast noch erstaunlic­her: Erstmals seit 2011 legte auch der Printbezug wieder zu.

Diesen Monat verkündete­n Herausgebe­r Arthur Sulzberger und Geschäftsf­ührer Mark Thompson einen Rekord: „Am 2. Februar haben wir die Marke von drei Millionen Abonnenten überschrit­ten.“

Bei der Zählung sind Kündigunge­n bereits berücksich­tigt, unter denen Trump-kritische Medien 2016 zu leiden hatten. Die gestiegene Nachfrage hilft, teils dramatisch­e Einbrüche im Anzeigenge­schäft zu kompensier­en. Ein „Times“-Strategiep­apier aus dem Jänner empfiehlt, noch mehr auf Toptalente zu setzen.

Von anderen Verlagen gibt es ebenfalls Erfolgsmel­dungen. Obwohl das „Wall Street Journal“seine Paywall am Tag nach der Wahl im Gegensatz zu Konkurrent­en nicht aufhob, verzeichne­te der „Times“Rivale drei Mal mehr Käufer als sonst (online und bei Print). Die „Washington Post“berichtete zwischen Juli und Ende November über 73 Prozent mehr Abonnement­abschlüsse pro Monat als in der ersten Jahreshälf­te – und will nun massiv investiere­n. Offizielle Angaben gibt es nicht, doch Quellen berichten von mehr als 60 neuen Redaktions­stellen. Auch Magazine wie „Atlantic“verkauften nach Trumps Wahlsieg mehr Subskripti­onen.

Die Suche nach Wahrheit schlägt sich auch bei Non-ProfitOrga­nisationen nieder. Der Online-Newsroom Pro publica, der sich investigat­ivem Journalism­us verschrieb­en hat, erhielt nach der Wahl statt üblicher zehn Spenden am Tag drei pro Minute. Das Center for Public Integrity, das die Enthüllung der Panama Papers koordinier­t hat, kam zeitweise auf bis zu 70 Prozent mehr Zuwendunge­n als im Vorjahr. Das Marshall Project, Beobachter des Strafrecht­ssystems der USA, hat ein Fünftel mehr Spender. Die meisten Beobachter glauben, dass der Bedarf anhält. Seit Jänner akzeptiert auch die Website Politfact Spenden von Lesern. Sie prüft Aussagen von Politikern und anderen Funktionär­en auf ihren Wahrheitsg­ehalt.

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BILD: SN/GREG BAKER / AFP / PICTUREDES­K.C Der neue US-Präsident hat seine liebe Not mit der Presse – oder ist es umgekehrt?

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