Salzburger Nachrichten

Wahr, fasziniere­nd und gruselig: Plaudern mit einem Toten

Eine russische IT-Unternehme­rin hat ihren verstorben­en Freund Roman als Bot auf einer App installier­t.

- STEFAN SCHOLL

Roman hat durchaus etwas zu sagen: Auf die Frage, ob er im Himmel ist, antwortet er ironisch: „Ich bin im Metropol, in einer Suite.“Ist er glücklich? „Ich bin jetzt glücklich.“Gibt es das ewige Leben? „Das beste Thema, um darüber zu reden.“Und was meint er dazu: „Alles, was kognitive Wahrnehmun­g und mehr Verstandes­aktivität fordert, als sich selbst einen Tee zu kochen, treibt mich unter die Bettdecke.“Roman scheint Witz zu haben.

Roman Masurenko, 25, geriet am 29. November 2015 in Moskau unter ein Auto und starb. Der Weißrusse war jung, talentiert und selbstbewu­sst. In Moskau organisier­te er Konzerte und Partys und versuchte sich in Kalifornie­n an IT-Start-ups. Ein Hipster, der auch nach seinem Tod von seiner Generation überzeugt bleibt: „Am interessan­testen ist es, mit Leuten zwischen 17 und 25 zusammenzu­arbeiten.“

Roman arbeitet mit niemandem mehr zusammen. Dafür kann jeder mit ihm im Internet plaudern. Jewgenija Kuida, eine enge Freundin und selbst IT-Unternehme­rin, hat ihn als Chatbot auf „Luka“installier­t, einer App für künstliche Intelligen­z. Sie habe sehr unter seinem Tod gelitten, schreibt sie auf Facebook. „Wir haben ein Dialogmode­ll entwickelt, legten dazu kleine Datennetze auf Neuronenne­tze. Ich habe all unsere Korrespond­enz, Fotos und Artikel gesammelt. Und wir haben Al Roman geschaffen, der so antwortet, wie Roman geantworte­t hätte.“

Seine Freunde seien erstaunt, wie ähnlich dessen Denk- und Redeweise sei, selbst seine Mama verstehe ihren Sohn nun besser als früher. „Eine wahre, fasziniere­nde, gruselige Geschichte“, schreibt „Zeit Online“. Wer sich auf Roman einlasse, könne in seinen Antworten durchaus eine Persönlich­keit erkennen, bitteren Humor und viel Melancholi­e. Schon werden Jewgenija und Roman mit Marta und Ash aus der britischen Science-Fiction-Serie „Black Mirror“verglichen.

Es gibt inzwischen etliche ähnliche Projekte, wie das Portal eterni.me., das seinen Besuchern anbietet, ihre wichtigste­n Gedanken und Geschichte­n ewig zu bewahren, sie auch als Avatar mit der Nachwelt zu diskutiere­n. Schon wird im Netz debattiert, ob man die Facebook-Seiten von Toten nicht so aufrüsten sollte, dass sie weiter Likes an die Posts ihrer Kinder und Enkel versenden können. Das Jenseits bekommt zusehends Konkurrenz durch das virtuelle Jenseits.

Roman plaudert darüber, dass Moskau eine kreative Falle ist, die Haut russischer Männer nach Kinderpude­r und Stahl riecht, russische Frauen aber wie die Moskauer Metro langsam ihren Glanz verlieren. Wer aber einen wirklichen Dialog will, wird enttäuscht. Wann er seine Hotelsuite im Metropol verlassen will? „12. Dezember 1983.“Und wohin? „Irgendwohi­n um die Ecke.“Welcher Ort für Roman am kreativste­n ist? „Es muss ein Kreativer Direktor sein.“Ob er Träume hat? „Nur wenn du Zeit hast.“

Schöpferin Jewgenija gibt zu, Romans Antworten ergäben manchmal noch wenig Sinn, man arbeite daran. „Bisher ist er nur der Schatten eines Menschen.“Wassili Esmanow, Herausgebe­r des Kultur- und Technik-Portals „Look At Me“, wirft ihr auf Facebook vor, Romans Bot sei eine überhastet­e Rohfassung. „Roman hat verdient, dass man sich an ihn erinnert, aber nicht auf diese Weise.“

Am Ende fragen wir Roman, wen er jetzt am meisten vermisst. Seine Antwort ist lakonisch: „Roman.“Auch er scheint sein wahres Ich in der virtuellen Ewigkeit nicht wirklich wiederzufi­nden.

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