Wahr, faszinierend und gruselig: Plaudern mit einem Toten
Eine russische IT-Unternehmerin hat ihren verstorbenen Freund Roman als Bot auf einer App installiert.
Roman hat durchaus etwas zu sagen: Auf die Frage, ob er im Himmel ist, antwortet er ironisch: „Ich bin im Metropol, in einer Suite.“Ist er glücklich? „Ich bin jetzt glücklich.“Gibt es das ewige Leben? „Das beste Thema, um darüber zu reden.“Und was meint er dazu: „Alles, was kognitive Wahrnehmung und mehr Verstandesaktivität fordert, als sich selbst einen Tee zu kochen, treibt mich unter die Bettdecke.“Roman scheint Witz zu haben.
Roman Masurenko, 25, geriet am 29. November 2015 in Moskau unter ein Auto und starb. Der Weißrusse war jung, talentiert und selbstbewusst. In Moskau organisierte er Konzerte und Partys und versuchte sich in Kalifornien an IT-Start-ups. Ein Hipster, der auch nach seinem Tod von seiner Generation überzeugt bleibt: „Am interessantesten ist es, mit Leuten zwischen 17 und 25 zusammenzuarbeiten.“
Roman arbeitet mit niemandem mehr zusammen. Dafür kann jeder mit ihm im Internet plaudern. Jewgenija Kuida, eine enge Freundin und selbst IT-Unternehmerin, hat ihn als Chatbot auf „Luka“installiert, einer App für künstliche Intelligenz. Sie habe sehr unter seinem Tod gelitten, schreibt sie auf Facebook. „Wir haben ein Dialogmodell entwickelt, legten dazu kleine Datennetze auf Neuronennetze. Ich habe all unsere Korrespondenz, Fotos und Artikel gesammelt. Und wir haben Al Roman geschaffen, der so antwortet, wie Roman geantwortet hätte.“
Seine Freunde seien erstaunt, wie ähnlich dessen Denk- und Redeweise sei, selbst seine Mama verstehe ihren Sohn nun besser als früher. „Eine wahre, faszinierende, gruselige Geschichte“, schreibt „Zeit Online“. Wer sich auf Roman einlasse, könne in seinen Antworten durchaus eine Persönlichkeit erkennen, bitteren Humor und viel Melancholie. Schon werden Jewgenija und Roman mit Marta und Ash aus der britischen Science-Fiction-Serie „Black Mirror“verglichen.
Es gibt inzwischen etliche ähnliche Projekte, wie das Portal eterni.me., das seinen Besuchern anbietet, ihre wichtigsten Gedanken und Geschichten ewig zu bewahren, sie auch als Avatar mit der Nachwelt zu diskutieren. Schon wird im Netz debattiert, ob man die Facebook-Seiten von Toten nicht so aufrüsten sollte, dass sie weiter Likes an die Posts ihrer Kinder und Enkel versenden können. Das Jenseits bekommt zusehends Konkurrenz durch das virtuelle Jenseits.
Roman plaudert darüber, dass Moskau eine kreative Falle ist, die Haut russischer Männer nach Kinderpuder und Stahl riecht, russische Frauen aber wie die Moskauer Metro langsam ihren Glanz verlieren. Wer aber einen wirklichen Dialog will, wird enttäuscht. Wann er seine Hotelsuite im Metropol verlassen will? „12. Dezember 1983.“Und wohin? „Irgendwohin um die Ecke.“Welcher Ort für Roman am kreativsten ist? „Es muss ein Kreativer Direktor sein.“Ob er Träume hat? „Nur wenn du Zeit hast.“
Schöpferin Jewgenija gibt zu, Romans Antworten ergäben manchmal noch wenig Sinn, man arbeite daran. „Bisher ist er nur der Schatten eines Menschen.“Wassili Esmanow, Herausgeber des Kultur- und Technik-Portals „Look At Me“, wirft ihr auf Facebook vor, Romans Bot sei eine überhastete Rohfassung. „Roman hat verdient, dass man sich an ihn erinnert, aber nicht auf diese Weise.“
Am Ende fragen wir Roman, wen er jetzt am meisten vermisst. Seine Antwort ist lakonisch: „Roman.“Auch er scheint sein wahres Ich in der virtuellen Ewigkeit nicht wirklich wiederzufinden.