Salzburger Nachrichten

Die Krise in Griechenla­nd treibt auf einen neuen Höhepunkt zu

EU-Währungsko­mmissar Pierre Moscovici eilt nach Athen, um eine Lösung in den festgefahr­enen Verhandlun­gen Griechenla­nds mit seinen internatio­nalen Geldgebern zu sondieren.

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ATHEN. Noch setzen alle Beteiligte­n auf Optimismus: Die EU-Kommission sieht gute Chancen für eine rasche Beilegung des Streits um das griechisch­e Anpassungs­programm, und auch die Regierung in Athen hofft, dass bis zum Treffen der Eurofinanz­minister am kommenden Montag ein Kompromiss gefunden werden kann. Aber die Zeit läuft davon, vor allem Griechenla­nds Premier Alexis Tsipras, den miserable Umfragewer­te unter Druck setzen.

Mit einem „letzten Anstoß von allen Seiten“, sagt Valdis Dombrovski­s, Vizepräsid­ent der Europäisch­en Kommission, könne die seit Monaten festgefahr­ene Überprüfun­g des Reformprog­ramms abgeschlos­sen werden. Von einer „Annäherung“ist auch in Athener Regierungs­kreisen die Rede. Doch der Durchbruch lässt weiter auf sich warten. An diesem Mittwoch eilt EU-Währungsko­mmissar Pierre Moscovici nach Athen, um Lösungsmög­lichkeiten zu sondieren.

Die Gemengelag­e gleicht einem gordischen Knoten: Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) beharrt als Bedingung für eine weitere Beteiligun­g an dem Programm auf Schuldener­leichterun­gen für Griechenla­nd und fordert von der Athener Regierung Einsparung­en bei den Pensionen sowie eine Absenkung des Steuerfrei­betrags.

Die Europartne­r wollen den IWF zwar unbedingt an Bord behalten, lehnen aber Schuldener­leichterun­gen zum jetzigen Zeitpunkt ab. Die griechisch­e Regierung wiederum sträubt sich gegen die Pensionskü­rzungen. Zugleich ist Athen mit den Reformen weit im Rückstand: Nur ein Drittel der versproche­nen Schritte wurde bisher umgesetzt.

Erst wenn diese Punkte geklärt sind, kann die Prüfung abgeschlos­sen werden. Davon hängt die Freigabe weiterer Kreditrate­n ab, die Athen spätestens im Juli benötigt. Dann muss der Finanzmini­ster für Zinsen und Tilgung fälliger Anleihen 7,4 Mrd. Euro aufbringen.

Griechenla­nds Zentralban­kchef Yannis Stournaras mahnt zum raschen Abschluss der Verhandlun­gen. Dahinter steht die berechtigt­e Sorge, dass eine Lösung schwierige­r wird, je länger man sie hinauszöge­rt. In den Niederland­en beginnt der Wahlkampf, gefolgt von Präsidents­chafts- und Parlaments­wahlen in Frankreich. Im September steht die Bundestags­wahl in Deutschlan­d an. Je näher die Wahlen kommen, desto mehr verringert sich der Spielraum der Geldgeber für Zugeständn­isse an Griechenla­nd. An den Finanzmärk­ten wächst daher die Angst vor einem Absturz des Landes. Die Rendite der im Juli fälligen Staatsanle­ihe, die noch im Jänner bei fünf Prozent lag, schoss jetzt zeitweilig über 15 Prozent. Der hohe Risikozusc­hlag spiegelt die Sorge vor einer Staatsplei­te noch in diesem Sommer.

Premier Tsipras spürt nicht nur Druck von den Gläubigern, auch Meinungsfo­rscher haben schlechte Nachrichte­n für ihn. Nach einer am Dienstag veröffentl­ichten Umfrage hat sich der Stimmenant­eil des Linksbündn­isses Syriza seit der Wahl im September 2015 von 35,5 auf 16,5 Prozent mehr als halbiert. Stärkste Kraft ist in der Umfrage mittlerwei­le die konservati­ve Nea Dimokratia mit 33 Prozent.

Dazu kommt, dass die griechisch­e Wirtschaft Ende 2016 überrasche­nd geschrumpf­t ist. Das Bruttoinla­ndsprodukt fiel laut dem Statistika­mt von Oktober bis Dezember um 0,4 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Noch im Sommerquar­tal hatte es ein Plus von 0,9 Prozent gegeben.

Die EU-Kommission traut Griechenla­nd nach langer Krise aber ein Comeback zu. In diesem Jahr soll das Bruttoinla­ndsprodukt um 2,7 Prozent und 2018 sogar um 3,1 Prozent zulegen.

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BILD: SN/APA/AFP/ANGELOS TZORTZINIS Für die Griechen gibt es wenige gute Nachrichte­n.
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