Genmanipulation und Biolandbau vereinbar?
Gentechnisch veränderte Insekten könnten Biogemüse beschützen. Der neue Trend interessiert Bauern in den USA und Europa.
„Da ist eine Fliege im Essen.“Bei diesem Satz denkt man eher an eine Fliege in der Suppe als an ein genmanipuliertes Insekt, das mit Biogemüse auf den Tisch kommt. Kein unrealistisches Szenario, denn in den USA etwa dürfen inzwischen versuchsweise genetisch veränderte Insekten in der Nähe von Äckern eingesetzt werden.
Können aber Obst und Gemüse, die Reste genmanipulierter Insekten enthalten und die aus den USA exportiert werden, unter dem Siegel „Bio“verkauft werden? Guy Reeves vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön und Martin Phillipson von der Universität Saskatchewan Saskatoon in Kanada machen auf das Problem aufmerksam. Ihrer Meinung nach müssen die Regulierungsbehörden in den USA Klarheit schaffen, damit die Biobauern nicht um ihren Ruf fürchten müssen.
Weltweit werden männliche Insekten seit 50 Jahren durch kurzzeitige Bestrahlung sterilisiert, um ihre Ausbreitung zu kontrollieren. Zwei Arten, bei denen die Methode angewandt wird, sind die Schraubenwurm- und die Mittelmeerfruchtfliege. Zwar können sich die Männchen nach der Bestrahlung noch paaren, die Eier sind aber lebensunfähig. Ein zweiter Ansatz, der seit Neuestem in einem US-Feldversuch getestet wird, prüft die Wirksamkeit genveränderter Männchen, die nur Söhne zeugen. Beide Ansätze verringern die Männchen-Population und damit den Insektenbestand.
Beide Methoden haben den Vorteil, dass die Schädlingsbestände ohne Insektenschutzmittel eingedämmt werden können. Allerdings könnte die Methode „genmanipulierte Insekten“in einen Konflikt mit den zunehmenden Verschärfungen der Lebensmittelkontrolle geraten. So würde ein Biolandwirt bislang nicht informiert, wenn in der Nähe seines Feldes genmanipulierte Kohlmotten ausgesetzt werden. Folglich kann er sich auch nicht auf das Risiko vorbereiten. Um genmanipulierte Insekten er- folgreich in die landwirtschaftliche Produktion einzubinden, sei es daher wichtig, alle beteiligten Gruppen – dazu zählen auch Landwirte und Verbraucher – in den Entwicklungsprozess einzubeziehen und regelmäßig zu informieren, sagt Reeves. „Als Vergleich könnten selbstfahrende Autos dienen. Wenn sie so produziert werden, dass sie Fahrradfahrer nicht als Verkehrsteilnehmer erkennen und somit umfahren, wird ihre Einführung scheitern. Ebenso werden genmanipulierte Insekten keine Zukunft haben, wenn Betroffenen keine Stimme gegeben wird.“
In New York State wurde jetzt eine Freisetzung von 100.000 genmodifizierten Kohlmotten pro Woche auf 40.500 Quadratmetern Kohl- und Brokkolifeldern 72 Mal pro Jahr genehmigt. In Arizona wird ebenfalls mit Gen-Insekten gearbeitet.
Zaghafte Versuche gab es auch schon in Europa. Doch die Anträge – Großbritannien 2011 und Spanien 2013 und 2015 – wurden wieder zurückgezogen.