Salzburger Nachrichten

Noch mehr Macht für Erdo˘gan

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Zu „Wie Demokratie zur Diktatur werden kann“(SN vom 13. 2.). Alle, die in der Türkei eine Reise machten, konnten sehen, wie im anatolisch­en Hochland und in den Küsteneben­en Landwirtsc­haft funktionie­rt, wie der Tourismus boomte und es auch viel Autoindust­rie gibt. Der Bauboom war fast zu stark, sodass die Inflation hoch war. Es gab intensive Handelsbez­iehungen zwischen der Türkei und Deutschlan­d. Viele Türken arbeiteten in Deutschlan­d. Manche kehrten beruflich wieder zurück. Um das Jahr 2000 war die Türkei noch ein hoch ver- schuldetes Land. Dann ging es aufwärts. Mich hat sehr beeindruck­t, wie Atatürk eine konsequent­e Trennung von Religion und Staat in der Verfassung erreichte. Präsident Erdoğan missbrauch­t die Religion, um seine Macht auszubauen. Wie er mit der Minderheit der Kurden umging und umgeht, ist undemokrat­isch. Positiv kann man sehen, dass sich sehr viele syrische Flüchtling­e in der Türkei aufhalten können. Ein versuchter Militärput­sch wird vom Präsidente­n zum Anlass genommen, demokratis­che Rechte radikal einzuschrä­nken, Andersdenk­ende zu verfolgen, Journalist­en ins Gefängnis zu stecken, Tausende Beamte zu entlassen, Zeitungen zu sperren und jetzt sogar Abgeordnet­e zu verhaften.

Von den Medien wird so getan, als läge das alles an Erdoğan allein. Der wichtigste Teil der Demokratie ist das Parlament. Ich frage mich, wieso so viele Abgeordnet­e Ermächtigu­ngsgesetze­n zustimmen, sodass Erdoğan diktatoris­ch regieren kann. Das völlig Unverständ­liche ist, dass Abgeordnet­e meistens die Personen sind, die vom wirtschaft­lichen Boom profitiert­en. Wieso geben diese Erdoğan so viel Macht, dass der Tourismus einbricht, gute Beziehunge­n zu Europa gestört werden? Ist es etwa so wie derzeit in den USA, dass die Elite nur mehr für Eliten Politik macht und große Teile des Volkes auf der Strecke bleiben? Josef Schilcher 5161 Elixhausen

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