Salzburger Nachrichten

Die Unsicherhe­itskonfere­nz

Was will Trump? Das war die bange Frage der Europäer bei der Münchner Sicherheit­skonferenz. Sie bekamen vom Vize des US-Präsidente­n einen Treueschwu­r zur NATO zu hören. Aber reicht das?

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Es gibt sie also doch noch, die transatlan­tische Partnersch­aft. Amerika und Europa wollen Freunde bleiben – trotz allem. Das ist die Hauptbotsc­haft der Münchner Sicherheit­skonferenz, von USVizepräs­ident Mike Pence überbracht. Er ist im Auftrag seines Chefs in die bayerische Hauptstadt gekommen, um Sätze wie diesen vorzulesen: „Wir waren uns treu über Generation­en. Und so, wie Sie uns die Treue halten, werden auch wir Ihnen unter Präsident Trump immer treu sein.“Es kriselt in dieser Freundscha­ft, Trump sorgt seit Wochen in der internatio­nalen Politik für Unruhe, Wirbel und Chaos.

Deutschlan­ds Bundeskanz­lerin Angela Merkel sitzt in der ersten Reihe, auch viele andere europäisch­e Regierungs­chefs und Minister sind da. Das ist genau das, was sie hören wollen. Und dann setzt Pence noch einen drauf: „Das ist Präsident Trumps Verspreche­n: Wir werden zu Europa stehen, heute und jeden Tag, weil uns dieselben edlen Ideale zusammensc­hweißen: Freiheit, Demokratie, Gerechtigk­eit, Rechtsstaa­tlichkeit.“ Das sind deutliche Worte – aber eben auch erst einmal nicht mehr als Worte. Trump hat in den vergangene­n Wochen Richter beschimpft, Journalist­en beleidigt, Verständni­s für Folter gezeigt, unschuldig­en Menschen die Einreise verwehrt. Mit den Begriffen Freiheit und Rechtsstaa­tlichkeit passt das aus Sicht der meisten Europäer nicht zusammen. Der US-Präsident hat bei den europäisch­en Verbündete­n in den ersten vier Wochen seiner Amtszeit Verunsiche­rung, Befürchtun­gen, sogar Ängste ausgelöst wie keiner seiner Vorgänger.

Pence ist nun ganz offensicht­lich mit einem klaren Auftrag angereist: Beschwicht­igung. Einen großen Teil seiner Rede hätten so ähnlich auch Ex-Präsident Barack Obama oder Merkel halten können.

Der US-Vize hat aber nicht nur Freundlich­keiten mit nach Europa gebracht, sondern stellt auch Ansprüche. Er fordert die Bündnispar­tner auf, endlich das Verspreche­n einzuhalte­n, bis 2024 zwei Prozent ihres Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) für Verteidigu­ng auszugeben. Allerdings wiederholt er nicht die Drohung von Verteidigu­ngsministe­r James Mattis vor wenigen Tagen, die USA könnten ihr Engagement in der NATO andernfall­s zurückfahr­en. Mattis kam direkt vom NATO-Verteidigu­ngsministe­rtreffen nach München. Trumps Heimatschu­tzminister John Kelly nahm ebenfalls an der Konferenz teil. US-Außenminis­ter Rex Tillerson fehlte zwar, war vorher aber beim G20-Außenminis­tertreffen in Bonn. Und Pence stellt sich heute, Montag, in Brüssel noch bei EU und NATO vor. Insgesamt sechs Tage sind die vier Entsandten Trumps dann in Europa unterwegs, um zumindest einen Eindruck davon zu vermitteln, was von der neuen US-Regierung zu erwarten ist.

Die schlimmste Befürchtun­g ist nun zwar ausgeräumt: Die USA werden sich auch unter Trump nicht grundsätzl­ich von Europa abwenden und die NATO infrage stellen. Antworten auf konkrete Fragen bleiben Trumps Leute aber schuldig. Was wird aus dem Weltklimaa­bkommen? Was ist mit Strafsteue­rn auf Importe? Wie sieht die Haltung zur EU aus? Und wie wird Trump mit Russland umgehen?

Selbst diejenigen, die an Gesprächen mit Pence, Tillerson, Mattis und Kelly direkt beteiligt waren, zeigen sich ratlos. Es sei der Eindruck entstanden, dass die Minister „keinen Millimeter“über das hinausging­en, was mit Trump abgesproch­en sei, wurde berichtet. Es scheine selbst im Team noch keinerlei Klarheit über Details des Kurses zu geben. Auf Fragerunde­n lassen sich Pence und Mattis in München wohl auch deswegen nicht ein. Tillerson hat seit seinem Amtsantrit­t vor drei Wochen keine einzige Pressekonf­erenz gegeben.

Und was machte Trump selbst am Wochenende? Auf Twitter, seinem wichtigste­n Kommunikat­ionskanal, war nichts über die Rede seines Stellvertr­eters zu lesen. Der Präsident war am Samstag in Florida, um dort eine innenpolit­ische Rede vor seiner Wählerscha­ft zu halten. Spätestens im Mai muss er aber selbst seine Außenpolit­ik in Europa erklären. Dann wird er beim G7Gipfel auf Sizilien erwartet.

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BILD: SN/AFP Frankreich­s Außenminis­ter Jean-Marc Ayrault machte während einer Diskussion auf der 53. Sicherheit­skonferenz einen ratlosen Eindruck.

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