Das Oberhaus stört die Pläne von Theresa May
Zum großen Missfallen der Premierministerin soll es Änderungen im Brexit-Gesetz geben.
Man kommt nicht umhin, beim Blick ins Oberhaus des britischen Parlaments an den längst vergangenen Glanz des einstigen Empires zu denken. Holzgetäfelte Wände, gotische Fenster, Ölgemälde und natürlich der mit Gold verzierte Thron bilden die Umgebung für die feine Gesellschaft, die vor allem aus älteren Herren besteht.
Das House of Lords gehört als eine von zwei Kammern zum Parlament, dem nach einem Gerichtsurteil des Obersten Gerichtshofs ein Mitspracherecht beim Start des Brexit-Verfahrens zugemessen wurde. Vor zwei Wochen haben bereits die gewählten Abgeordneten des House of Commons, des Unterhauses, dem Gesetzesentwurf in überwältigender Mehrheit zugestimmt. Er soll der Regierung unter Premierministerin Theresa May die Vollmacht geben, den Austrittsprozess nach Artikel 50 der EU-Verträge zu starten. Seit Montag beraten nun die Lords (darunter auch die weiblichen Mitglieder), die auf Lebenszeit von der Königin ernannt werden.
Im nicht gewählten Oberhaus verfügen die konservativen Tories über keine Mehrheit, was Regierungschefin May nervös zu machen scheint. Am Montag setzte sie sich deshalb als Beobachterin auf die Stufen vor den riesigen Thron. Das ist äußerst ungewöhnlich, seit Jahrzehnten wohnte kein Premierminister solch einer Debatte mehr bei
Katrin Pribyl berichtet für die SN aus Großbritannien
– und schon gar nicht wählten die Regierungschefs diesen Sitzplatz.
Doch für May steht viel auf dem Spiel, entsprechend großen Druck will sie ausüben. Sollte am Ende das mehrheitlich europafreundliche Oberhaus Änderungen des Gesetzes beantragen, würde das den Zeitplan Londons gehörig durcheinanderbringen. Und das wird erwartet.
So wollen einige Peers etwa erreichen, dass den EU-Bürgern im Königreich noch vor den Ausstiegsverhandlungen eine Bleibegarantie ausgesprochen wird. Das lehnt May mit der Begründung ab, es würde den Spielraum der Regierung bei den Gesprächen mit der EU einschränken. Die Regierungschefin will bis spätestens Ende März den Scheidungsantrag in Brüssel stellen. Umso eindringlicher warnte sie vor Verzögerungen: „Ich will niemanden sehen, der den Willen des britischen Volkes aufhält.“Das Unterhaus habe das Gesetz dazu ohne Zusätze verabschiedet. „Ich hoffe, das Oberhaus wird das beachten.“
Die Chefin der Labour-Fraktion, Baroness Angela Smith, meinte jedoch während der Debatte: „Wir werden uns nicht davon abbringen lassen, unsere verfassungsmäßige Rolle wahrzunehmen.“Der EUFreund Lord Newby von den Liberaldemokraten sagte: „Unter diesen Umständen dazusitzen und nichts zu tun ist sowohl undenkbar als auch gewissenlos.“
Doch die Lords stehen vor einem Problem: Seit Jahren kocht immer wieder die Diskussion um den Sinn des Oberhauses hoch. Die Institution gilt zahlreichen Menschen als Bastion des britischen Klassensystems und als „undemokratisch“, wie es nun abermals hieß. Im Scheinwerferlicht der Brexit-Beratungen meldeten sich außerdem Insider zu Wort. Auch wenn es einen „Kern“gebe, der „unglaublich hart“arbeite, trügen viele Peers „absolut nichts“zum Parlament bei, monierte Baroness D’Souza gegenüber dem Sender BBC. Einmal habe sie beobachtet, wie ein Mitglied nur kurz ins Oberhaus huschte, während sein Taxi vor der Tür auf ihn wartete, um seine Anwesenheit zu zeigen und das Tagesgeld von 300 Pfund einzuheimsen. „Die Schande der privilegierten Peers“, titelte jetzt der „Daily Mirror“.
Der Liberaldemokrat Lord Tyler nannte die Zusammensetzung des House of Lords nicht repräsentativ. Mehr Peers seien älter als 90 Jahre, als es Mitglieder unter 40 Jahren gebe. „Es ist die beste Altentagesstätte in London.“Am Ende könnten es ebendiese Lords sein, die den Lauf des Brexit beeinflussen.