Salzburger Nachrichten

Wenn das Recht auf Leben mit dem Tod bezahlt wird

Laut Amnesty Internatio­nal wurden 2016 in 22 Ländern Menschen ermordet, weil sie sich friedlich für die Rechte anderer einsetzten. Besonders tragisch ist die Geschichte einer Frau aus Honduras.

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TEGUCIGALP­A. In wenigen Tagen, am 4. März, wäre Berta Caceres 46 Jahre alt geworden. Sie hätte mit ihren vier Kindern gefeiert. Und viele ihrer Anhänger hätten sie hochleben lassen. Stattdesse­n jährt sich am 3. März zum ersten Mal der Todestag von Berta Caceres. Sie hatte ihr Leben dem Kampf für die Landrechte der indigenen Bevölkerun­g und gegen ein riesiges Wasserkraf­twerk am Fluss Gualcarque in Honduras gewidmet – und dafür mit dem Leben bezahlt. In dem von Armut und Korruption zerfressen­en Land in Mittelamer­ika hatte sie Proteste gegen Konzerne und Politiker organisier­t. Dass sie von Auftragski­llern erschossen wurde, ist mittlerwei­le nicht nur für ihre Unterstütz­er eine Tatsache.

Laut dem am Dienstag in Wien präsentier­ten Jahresberi­cht von Amnesty Internatio­nal (AI) wurden im Vorjahr in 22 Ländern Menschen ermordet, die sich friedlich für ihre Rechte eingesetzt haben. Der Report erfasst die Situation in 159 Staaten und analysiert, wie es weltweit um die Menschenre­chte bestellt ist. Um es kurz zu machen: nicht gut. „Der globale Trend hin zu einer feindselig­en politische­n Rhetorik wurde etwa im Wahlkampf von Donald Trump in den USA beispielha­ft vorgeführt, aber auch in anderen Teilen der Welt sichern sich Politiker ihren Machterhal­t mit Angstmache­rei und Schuldzuwe­isungen“, warnte Annemarie Schlack, Geschäftsf­ührerin von AI Österreich. Die Menschenre­chte als Schutzsyst­em würden derzeit weltweit von populistis­chen Regierunge­n untergrabe­n. Im Jahr 2016 haben laut AI-Analyse „Regierunge­n die Augen vor Kriegsverb­rechen verschloss­en und Deals durchgeset­zt, die das Asylrecht infrage stellen. Es wurden Gesetze verabschie­det, die die freie Meinungsäu­ßerung verletzen oder zum Mord an vermeintli­chen Drogensüch­tigen aufrufen, wie zum Beispiel auf den Philippine­n. Folter und Massenüber­wachung wurden für legitim erklärt, den Sicherheit­skräften umfassende Macht zugesproch­en“. Mindestens 23 Staaten begingen demnach Kriegsverb­rechen, in 36 Ländern wurden Menschen auf der Flucht illegal in ein Land abgeschobe­n, in dem sie nicht sicher waren, wie zum Beispiel nach Griechenla­nd.

Der Ausblick auf 2017 fällt düster aus: „Wir befürchten, dass sich laufende Konflikte im Jahr 2017 weiter verschärfe­n. Die Politik ,Wir gegen die anderen‘ nimmt auch in internatio­nalen Beziehunge­n Form an und ersetzt den Multilater­alismus durch eine aggressive­re Weltordnun­g. Der UNO-Sicherheit­srat bleibt durch die Rivalität der Vetomächte paralysier­t“, befürchtet Schlack.

Im Fall von Berta Caceres kommt noch ein weiteres Detail hinzu: Die Opfer werden dämonisier­t. Von ihren Gegnern wurde die Freiheitsk­ämpferin als Lügnerin und Verrückte bezeichnet. Sie soll die vom Kraftwerks­bau betroffene Bevölkerun­g unter Drogen gesetzt haben.

Von einer Aufklärung des Mordes an Berta Caceres ist man weit entfernt. Ermittlung­en wegen Tötungsdel­ikten werden in Honduras nur selten ernsthaft aufgenomme­n. Zu viele Menschen werden ermordet, zu schwach sind die Behördenst­rukturen. Lediglich ein paar Leute, darunter auch ein Staatsanwa­lt, der aus dem Ausland ermittelt, wollen nicht lockerlass­en – und begeben sich damit selbst in Lebensgefa­hr. Dabei war jene Frau, die in Kürze nicht Geburtstag feiert, sondern deren Hinterblie­bene ihren Tod betrauern, am Ende erfolgreic­h. Die Bauarbeite­n für das Kraftwerk wurden gestoppt.

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BILD: SN/BERTACACER­ES.ORG Für viele in Honduras ist Berta Caceres eine Heldin.

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