Salzburger Nachrichten

Der Staat will Bürger vor der Linse haben

Der Innenminis­ter plant den Ausbau der Videoüberw­achung. Die Ausrüstung fehlt.

- MARIAN SMETANA

Ein großes Auge aus Hunderten Überwachun­gskameras. Egal ob von Banken, privaten Haushalten oder der Asfinag. So sind die Pläne von Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) im neuen Regierungs­übereinkom­men. Die Videoüberw­achung soll demnach massiv zur Terrorund Kriminalit­ätsbekämpf­ung aufgestock­t werden. Vorbild für den Innenminis­ter ist London. Dort gibt es seit Jahren ein System, mit dem sich die Polizei live zu Kameras zuschalten kann. Ein Verdächtig­er kann so in Echtzeit per Video überwacht werden. „Rund eine Million privater Videoanlag­en könnten in Österreich in Serie geschaltet werden“, erklärte der Innenminis­ter zu Jahresbegi­nn.

Auch andere europäisch­e Großstädte überlegen einen Ausbau der Kameraüber­wachung. In London läuft hingegen eine Debatte, ob der Großteil der sechs Millionen Kameras nicht wieder verschwind­en soll. Die Überwachun­g sei zu teuer und ineffizien­t, argumentie­ren die Skeptiker.

Kritische Stimmen kommen dabei immer wieder von Scotland Yard. Die Polizei komme mit der Flut an Bildern nicht mehr zurecht. Die Befürworte­r sprechen hingegen

Regierungs­pakt neu

von steigenden Verhaftung­en. Auch in der österreich­ischen Bundeshaup­tstadt wurden in den vergangene­n Jahren Videokamer­as aufgebaut – und nach kurzer Zeit wieder abgebaut: Schon unter Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wurde in Wien eine verstärkte Videoüberw­achung gefordert. An öffentlich­en Plätzen wurden deshalb 17 Überwachun­gskameras installier­t, 15 davon wurden in den vergangene­n drei Jahren jedoch wieder eingespart. Der Grund: Sie waren zu teuer und nicht effizient. Nur zwei Videoüberw­achungsanl­agen blieben bestehen.

In manchen europäisch­en Staaten konnten Videoüberw­achungen durchaus bei der Aufklärung von schweren Straftaten oder Anschlägen helfen. Nach dem Selbstmord­attentat auf dem Brüsseler Flughafen wurden im vergangene­n Frühjahr relativ schnell Erfolge bei der Fahndung nach mutmaßlich­en Komplizen der Attentäter erzielt. In Dänemark wurde ein Terrorist im Februar 2015 mithilfe von Überwachun­gsbildern gefasst. Verhindert werden konnten Terroransc­hläge wie im vergangene­n Sommer auf Nizzas Strandprom­enade, die mittels Video weitgehend überwacht wird, nicht.

In Deutschlan­d gibt es seit dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachts­markt ebenfalls die Forderung nach mehr Videoüberw­achung. Der deutsche Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) musste jedoch vor wenigen Wochen eingestehe­n, dass kein Anschlag in Deutschlan­d durch Kameras verhindert worden war.

Laut Sobotka soll die Liveüberwa­chung Täter abschrecke­n und bei der Fahndung helfen. Polizisten könnten direkt Fahndungsf­otos aus den Videokamer­as geschickt bekommen. So der Plan. Derzeit ist das technisch nicht möglich. Die Diensthand­ys der Polizei sind keine Smartphone­s und können keine Fotos anzeigen. Bis 2020 soll jeder Beamter ein Smartphone haben, auch Tablets sollen bis dahin beim Streifendi­enst zum Einsatz kommen. „Bei der technische­n Ausrüstung­en hat man noch einiges aufzuholen, wenn man die Pläne umsetzen will“, erklärt der Polizeigew­erkschafte­r Hermann Greylinger.

Auch Datenschüt­zer sehen den Vorstoß Sobotkas kritisch: „Die meisten Videoüberw­achungen von Privatpers­onen und vor Geschäften sind aus gutem Grund illegal, weil sie in die Privatsphä­re anderer Menschen eingreifen“, erklärt der Datenschüt­zer Georg Markus Kainz. „Genau darauf will der Innenminis­ter zugreifen?“Tatsächlic­h sind private Kameras nicht einfach so erlaubt. Etwa vor Trafiken oder Banken können private Überwachun­gskameras installier­t werden, allerdings müssen die Aufzeichnu­ngen verschlüss­elt sein.

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