Salzburger Nachrichten

Ein gutes Zeugnis – und einige Vorschläge für Verbesseru­ngen

Österreich schneidet im Prüfberich­t des IWF erstaunlic­h gut ab. Umso erstaunlic­her ist die geringe Resonanz zu Hause.

- Marianne Kager war fast 20 Jahre Chefökonom­in der Bank Austria. Heute ist sie selbststän­dige Beraterin. WWW.SALZBURG.COM/KAGER

Der jährliche Kapitel-IV-Bericht des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) ist eine der wichtigste­n Quellen für die Bonität eines Landes und ein wichtiger Bestimmung­sgrund für die Zinsen des Bundes und anderer öffentlich­er Kreditnehm­er. Der jüngst erschienen­e ChapterIV-Report über Österreich (www.imf.org/external/AUT/index.htm) und die entspreche­nden Hintergrun­ddokumente kommen einem Vorzugszeu­gnis sehr nahe. Verwunderl­ich ist, wie wenig Resonanz dieser Bericht in der heimischen Wirtschaft­spolitik findet, ließe sich doch für jeden Positives herauslese­n.

Es finden sich dort Aussagen wie: „Österreich ist ein reiches, entwickelt­es Land, mit einem sehr produktive­n Einsatz seiner Ressourcen und einem hohen Lebensstan­dard. Unter seinen Vergleichs­ländern rangiert Österreich weit oben in der Skala, was Wohlstand und Produktivi­tät anlangt.“Oder: „Österreich schneidet ebenfalls bei den meisten Indikatore­n hinsichtli­ch der strukturel­len Entwicklun­g und der Lebensqual­ität gut ab.“Und: „Was den Abstand des (gemessenen) Produktivi­tätsniveau­s zur (geschätzte­n) maximalen Effizienz betrifft, zählt Österreich zu den Topländern in der Welt.“(IWF: Austria Selected Issues, S. 3) Über so viel Lob kann man sich freuen.

Es wäre allerdings nicht der IWF, würde er nicht gleichzeit­ig weitere Reformen einfordern. Strukturre­formen, die sich auf die Stärkung der Innovation­sfähigkeit und Wettbewerb­skraft beziehen. Letzteres betrifft vor allem die Deregulier­ung im Dienstleis­tungssekto­r (Zugangsbes­chränkunge­n bei freien Berufen), aber auch die Gewerbeord­nung. Ebenso wird – trotz Steuerrefo­rm – nach wie vor die Steuerstru­ktur bemängelt. Gut wären weniger Besteuerun­g des Faktors Arbeit, mehr Umwelt-, Verbrauchs­und Vermögenss­teuern. Auch fordert der IWF mehr öffentlich­e Investitio­nen ein, da diese netto, also minus Abschreibu­ngen, 2015 nicht einmal 0,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s betrugen. Der IWF schätzt, dass durch diese Strukturre­formen in fünf bis zehn Jahren das BIP um zusätzlich drei Prozent steigen könnte, und vermerkt positiv, dass Österreich bei vielen strukturpo­litischen Maßnahmen schon nahe an „best practice“ist und Erfolge durch einzelne politische Schritte nicht einfach zu erzielen sind. In Summe hat Österreich die Krise ganz gut gemeistert, man gehört zu den reichsten Ländern der Welt und hat diesen Reichtum durch ein hohes Produktivi­tätsniveau, also harte Arbeit, erwirtscha­ftet. Die Regierung kann sich bei allen Schwächen zugutehalt­en, dass sie zumindest einige der geforderte­n Reformen auf den Weg gebracht (die Start-upFörderun­g oder die Minireform der Gewerbeord­nung) und sie so manchen Reformvors­chlag auf der wirtschaft­spolitisch­en Agenda hat.

Warum, so fragt man sich, wird das Lob des IWF seitens der Regierung nicht mehr kommunizie­rt. Es würde nicht ihr, sondern vor allem dem Wirtschaft­sklima im Land guttun.

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Marianne Kager

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