Ein gutes Zeugnis – und einige Vorschläge für Verbesserungen
Österreich schneidet im Prüfbericht des IWF erstaunlich gut ab. Umso erstaunlicher ist die geringe Resonanz zu Hause.
Der jährliche Kapitel-IV-Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist eine der wichtigsten Quellen für die Bonität eines Landes und ein wichtiger Bestimmungsgrund für die Zinsen des Bundes und anderer öffentlicher Kreditnehmer. Der jüngst erschienene ChapterIV-Report über Österreich (www.imf.org/external/AUT/index.htm) und die entsprechenden Hintergrunddokumente kommen einem Vorzugszeugnis sehr nahe. Verwunderlich ist, wie wenig Resonanz dieser Bericht in der heimischen Wirtschaftspolitik findet, ließe sich doch für jeden Positives herauslesen.
Es finden sich dort Aussagen wie: „Österreich ist ein reiches, entwickeltes Land, mit einem sehr produktiven Einsatz seiner Ressourcen und einem hohen Lebensstandard. Unter seinen Vergleichsländern rangiert Österreich weit oben in der Skala, was Wohlstand und Produktivität anlangt.“Oder: „Österreich schneidet ebenfalls bei den meisten Indikatoren hinsichtlich der strukturellen Entwicklung und der Lebensqualität gut ab.“Und: „Was den Abstand des (gemessenen) Produktivitätsniveaus zur (geschätzten) maximalen Effizienz betrifft, zählt Österreich zu den Topländern in der Welt.“(IWF: Austria Selected Issues, S. 3) Über so viel Lob kann man sich freuen.
Es wäre allerdings nicht der IWF, würde er nicht gleichzeitig weitere Reformen einfordern. Strukturreformen, die sich auf die Stärkung der Innovationsfähigkeit und Wettbewerbskraft beziehen. Letzteres betrifft vor allem die Deregulierung im Dienstleistungssektor (Zugangsbeschränkungen bei freien Berufen), aber auch die Gewerbeordnung. Ebenso wird – trotz Steuerreform – nach wie vor die Steuerstruktur bemängelt. Gut wären weniger Besteuerung des Faktors Arbeit, mehr Umwelt-, Verbrauchsund Vermögenssteuern. Auch fordert der IWF mehr öffentliche Investitionen ein, da diese netto, also minus Abschreibungen, 2015 nicht einmal 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betrugen. Der IWF schätzt, dass durch diese Strukturreformen in fünf bis zehn Jahren das BIP um zusätzlich drei Prozent steigen könnte, und vermerkt positiv, dass Österreich bei vielen strukturpolitischen Maßnahmen schon nahe an „best practice“ist und Erfolge durch einzelne politische Schritte nicht einfach zu erzielen sind. In Summe hat Österreich die Krise ganz gut gemeistert, man gehört zu den reichsten Ländern der Welt und hat diesen Reichtum durch ein hohes Produktivitätsniveau, also harte Arbeit, erwirtschaftet. Die Regierung kann sich bei allen Schwächen zugutehalten, dass sie zumindest einige der geforderten Reformen auf den Weg gebracht (die Start-upFörderung oder die Minireform der Gewerbeordnung) und sie so manchen Reformvorschlag auf der wirtschaftspolitischen Agenda hat.
Warum, so fragt man sich, wird das Lob des IWF seitens der Regierung nicht mehr kommuniziert. Es würde nicht ihr, sondern vor allem dem Wirtschaftsklima im Land guttun.