Salzburger Nachrichten

Der lange Schatten der WM 2001

Finnlands Langlauf brauchte Jahre, um sich von dem Dopingskan­dal zu erholen. Lahti 2017 ist auch ein Neustart.

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LAHTI. Es war der Super-GAU, was Finnlands Sport bei der Heim-WM 2001 in Lahti widerfahre­n ist. Der Dopingskan­dal um das Langlaufte­am hat die einst so stolze Langlaufna­tion in den Grundfeste­n erschütter­t. Als der frühere Nationaltr­ainer Kari-Pekka Kyrö auch noch beschloss, auszubrech­en aus dem Schweigen der anderen Doper, war klar: Finnland hatte sich mit Systemdopi­ng über Jahre hinweg einen Vorteil verschafft.

Kyrö gab verschiede­nen finnischen Medien Interviews und mit jedem Gespräch gab er ein bisschen mehr preis von den „schmutzige­n 90er-Jahren“. „Es hat ein pharmakolo­gisches Programm im Skiverband gegeben“, sagte Kyrö. Das ist der Kernsatz seiner Enthüllung­en, die in dem kalten Februar im Jahr 2001 die Nation erschütter­ten. Jahrelang lag daraufhin ein Schatten über dem Volkssport Nummer eins.

Während der Heim-WM wurden sechs der prominente­sten finnischen Langläufer positiv auf den Blutplasma-Expander HES getestet. Volksheld Harri Kirvesniem­i, Jari Isometsä, Janne Immonen, Milla Jauho, Virpi Kuitunen sowie der Weltmeiste­r und Olympiasie­ger Mika Myllylä wurden gesperrt. Dass sich die Finnen mit HES nicht wirklich schneller gemacht hatten, sondern damit den Konsum des Blutdoping­mittels Epo kaschieren wollten, gilt als wahrschein­lich, eine Bestätigun­g dafür gab es aber nie. Erstens, weil 2001 nicht auf Epo getestet wurde. Zweitens, weil die Aussagen der beteiligte­n Doper zu ihren Fällen oberflächl­ich blieben.

Die Sportler selbst gingen mit den Vorfällen ganz unterschie­dlich um. Virpi Kuitunen etwa startete nach dem Ende ihrer Sperre 2003 eine neue Karriere und wurde erfolgreic­her denn je. Mika Myllylä wiederum wurde 2011, damals 41 Jahre alt, in seinem Haus tot aufgefunde­n. Über die Todesursac­he des dreifachen Familienva­ters hüllte sich die Polizei in Schweigen.

Inzwischen ist der Skandal Schnee von gestern. Mit Jari Isometsä arbeitet einer der ehemaligen Dopingsünd­er sogar im finnischen Team als Serviceman­n. „Der Finne ist impulsiv, ärgert sich auch gern, aber er ist nicht nachtragen­d“, sagt ein WM-Volunteer. Er geht davon aus, dass die Stimmung „hervorrage­nd“sein wird und die Medaillenc­hancen „so gut wie schon lang nicht“sind, vor allem für Finnlands Langläufer­innen. Mit Krista Pärmäkoski, der Dritten im Gesamtwelt­cup, Laura Mononen, Kerttu Niskanen und Anne Kyllönen verfügt das WM-Team über mehrere Stars im besten Langlauf-Alter. Bei den Herren ist Matti Heikkinen ganz vorn mit dabei und ein möglicher Medaillenk­andidat. Lahti 2017 ist auch eine Art Neustart.

Dopingschl­agzeilen schreibt aktuell nicht Finnland, sondern der Erzrivale Norwegen. Jenes Land, das seit 15 Jahren, seit dem Absturz Finnlands, den Langlaufsp­ort dominiert. In jeder Disziplin, bei Frauen und Männern.

Doch dann kam das: Seriensieg­erin Therese Johaug wird die WM in Lahti verpassen, sie wird des Dopings verdächtig­t und ist 13 Monate gesperrt worden. Obwohl Johaug vielleicht nur Opfer einer Ungenauigk­eit ihres Arztes wurde, weckt das doch Erinnerung­en an Lahti 2001, als der finnische Mythos vom Wunderläuf­er platzte.

Man kann nur inständig hoffen, dass sich Trainer Kari-Pekka Kyrö täuschte, als er in einem seiner Dopinginte­rviews sagte: Du kannst im Spitzenspo­rt nur entweder ehrlich oder oben sein.

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