Freier Zugriff auf illegale Einwanderer
Elf Millionen Menschen halten sich ohne gültige Papiere in den USA auf – viele arbeiten und zahlen Steuern. Nun sollen sie gehen.
WASHINGTON. Mit zwei Direktiven versucht US-Heimatschutzminister John Kelly, ein ehemaliger General, ein Dekret seines Präsidenten Donald Trump umzusetzen. Ziel ist die Abschiebung von rund elf Millionen illegalen Einwanderern, die oft bereits seit Jahren in den USA leben, arbeiten und Steuern und Sozialabgaben bezahlen.
Gegenüber den Medien beruhigten hohe Mitarbeiter Kellys. „Wir haben weder das Personal noch die Zeit und die Ressourcen, um die Leute zusammenzutreiben und in Busse zu stecken“, hieß es. Kritiker wie Omar Jadwat von der Bürgerrechtsorganisation ACLU dagegen sprachen von einer „hyperaggressiven Politik der Massenabschiebung“. Sean Spicer, Sprecher des Weißen Hauses, verwies darauf, dass Trump nichts anderes mache, als ein Wahlkampfversprechen umzusetzen.
Ab sofort kann jeder Einwanderer, der ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung in den USA lebt, ausgewiesen werden. Die Beamten erhalten weiten Ermessensspielraum. Während die Behörden in den vergangenen Jahrzehnten nur verurteilte Straftäter und frisch beim illegalen Grenzübertritt ertappte Einwanderer abschoben, können Einwanderungsund Grenzpolizei nun nach Belieben verfahren. Es reicht, wenn ein Beamter den Eindruck hat, eine Person stelle eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“dar. Kleinste Vergehen reichen bereits aus, um als „Krimineller“abgeschoben zu werden. Wer bei Rot über die Ampel fährt, ist ebenso betroffen wie jemand, der mit einem Bier zu viel am Steuer erwischt wird. Das Heimatschutzministerium weist die Behörden explizit an, „nicht länger Gruppen oder Kategorien von entfernbaren Fremden von der möglichen Durchsetzung auszunehmen“. Die bisherige Abstufung unter Präsident Barack Obama sei ein Fehler gewesen.
Die Memos kündigen die Einstellung von 10.000 zusätzlichen Beamten der Einwanderungspolizei und 5000 weiteren Grenzbeamten an. Darüber hinaus sollen lokale Polizeikräfte eingebunden werden. Eine Maßnahme, gegen die sich die Bürgermeister der 20 US-Metropolen wehren, in denen 60 Prozent der Betroffenen leben.
Schließlich erlaubt Kelly die Abschiebung von Kindern und Frauen, die aus Guatemala, El Salvador oder Honduras geflohen sind, nach Mexiko – auch bevor ein Gericht über ihren Asylantrag entschieden hat. Statt in den USA sollen sie in dem südlichen Nachbarland den Ausgang des Verfahrens abwarten.
Behördenmitarbeitern zufolge können viele der neuen Regeln allerdings zunächst nicht angewandt werden, weil der Kongress ein Mitspracherecht hat oder die Öffentlichkeit angehört werden muss. Zudem seien auch Verhandlungen mit anderen Ländern nötig.
Mehrere Organisationen kündigten bereits rechtliche Schritte gegen die neuen Direktiven an.
Für die Betroffenen ändert das vorläufig wenig. Wenn sie morgens zur Arbeit gehen, wissen sie nicht mehr, ob sie abends wieder zurück nach Hause zu ihren Familien kommen können.