Salzburger Nachrichten

„Mehr Gesundheit heißt der Trend“

Spar-Chef Gerhard Drexel hält die Bedeutung des Online-Einkaufs im Lebensmitt­elhandel für überschätz­t. Dennoch verändere sich die Branche gewaltig, sagt er.

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Der österreich­ische Spar-Konzern wächst schneller als der heimische Markt und gewinnt damit Marktantei­le. Wohin die Reise des Lebensmitt­elhandels angesichts des digitalen Wandels geht, kann Spar-Vorstandsc­hef Gerhard Drexel nicht voraussage­n.

Im Handel ist aber laut Drexel nur eines gewiss, „nämlich der Wandel“. SN: Herr Drexel, Sie haben lang gesagt, beim Online-Handel im Lebensmitt­elbereich sollen andere die Lernkurve und die Verluste machen. Seit September bietet Spar nun selbst frische Lebensmitt­el online an. Nach Wien soll es Ende März auch in Salzburg so weit sein. Warum sind Sie nun doch in dieses Geschäft eingestieg­en? Drexel: Im Online-Handel sind wir ja Pioniere und haben bereits zum Jahrtausen­dwechsel mit unserem Wein-Online-Shop gestartet. Wir haben bei frischen Lebensmitt­eln bewusst zugewartet und die Konkurrenz die ersten Fehler und Verluste machen lassen. Aber nach wie vor kann der Online-Handel mit frischen Lebensmitt­eln nicht kostendeck­end betrieben werden. Denn zentrale Funktionen, die sonst der Kunde übernimmt, wie etwa das Kommission­ieren oder Nach-Hause-Bringen der Waren müssen nun Mitarbeite­r machen. Das kostet etwas.

Wir wollten mit diesem Experiment nicht zu früh auf den Markt kommen, um nicht zu viel Geld zu verlieren, aber auch nicht zu spät, um keine Kunden zu verlieren. Wir sehen den Food-Online-Shop als Forschung und Entwicklun­g im Handel, nicht als gewinnbrin­gendes Geschäftsm­odell. Aber wir glauben, dass wir in Österreich das beste Online-Modell bei Frischware haben, was Service, Präsentati­on und die riesige Auswahl mit 20.000 Produkten anbelangt. SN: Wann werden Sie so weit sein, um online mit frischer Ware auch Geld zu verdienen? Das kann heute niemand mit Sicherheit sagen. Wir glauben, die Zukunft wird die Vernetzung des Online-Geschäfts mit dem ladengebun­denen Geschäft sein. Im Lebensmitt­elhandel ist es etwas anderes als etwa bei Büchern. Lebensmitt­el möchte man vor Ort auswählen und sofort mit nach Hause nehmen. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Die Bedeutung von Online im Lebensmitt­elhandel wird überschätz­t. Hier wird sich Online-Shopping am langsamste­n durchsetze­n, auch deshalb, weil wir in Österreich nach Norwegen die höchste Ladendicht­e in Europa haben. Es gibt alle paar Hundert Meter eine Einkaufsmö­glichkeit. SN: Wie sind die ersten Online-Erfahrunge­n in Wien? Unser Service funktionie­rt perfekt, die Umsätze steigen von Woche zu Woche. Es gibt offensicht­lich viel positive Mundpropag­anda. SN: Wie viel investiere­n Sie ins Online-Geschäft? Einen zweistelli­gen Millionenb­etrag, vor allem in die IT. SN: Aber gerade im Lebensmitt­elhandel hat man abgesehen von Produktlin­ien den Eindruck, dass es seit Jahren keine großen Innovation­en gibt, sieht man vom Thema Regionalit­ät ab. Wir kaufen Lebensmitt­el ein wie eh und je. Dieser Ansicht muss ich entschiede­n widersprec­hen. Handel ist Wandel. Unsere Märkte – vom Spar-Supermarkt bis zum Interspar-Hypermarkt und unseren Shopping-Centern – sehen heute völlig anders aus als noch vor zehn oder 15 Jahren. Nehmen Sie als Beispiel diesen Standort, auf dem wir uns gerade befinden: Salzburg-Taxham. Vor 21 Jahren stand hier noch ein traditione­ller Interspar-„Flach- mann“; heute unser kultiges Flagship-Shopping-Center Europark mit 120 Shops und einem topmoderne­n Interspar-Hypermarkt. Aber auch unser Sortiment hat sich radikal verändert. In den letzten zehn Jahren haben wir beinahe jedes Jahr eine neue Eigenmarke­nLinie entwickelt und eingeführt: Spar Vital mit besonders gesunden Produkten, S-Budget im Preiseinst­iegsbereic­h, Spar free from für Menschen mit Unverträgl­ichkeiten, Spar Premium für den „Luxus für jeden Tag“, Spar Veggie für Vegetarier und Flexitarie­r und vieles mehr. Auch die Einkaufs- und Kochgewohn­heiten haben sich verändert: Vor 15 Jahren gab es noch keine frischen Convenienc­e-Produkte, heute haben Sie eine Riesenausw­ahl unter der Marke Spar enjoy. SN: Was ist der nächste Trend? Noch mehr Regionalit­ät und noch mehr Gesundheit­sorientier­ung. Wir haben seit zwölf Jahren einen wissenscha­ftlichen Ärztebeira­t mit ärztlichen Koryphäen, mit denen wir unsere Eigenmarke­n weiterentw­ickeln. Noch gesünder heißt: weniger Zucker, Salz und Fett, dafür mehr Nährstoffe, Vitamine und sekundäre Pflanzenst­offe. SN: Wie reagieren Kunden auf Ihre Ansage, den Zucker in Spar-Eigenmarke­n zu reduzieren? Wir bekommen ein gewaltiges Feedback. Wir haben den Puls der Zeit getroffen. Viele sagen, endlich gibt es jemanden, der sich dieses Themas annimmt. Aber die Zuckerlobb­y hat keine Freude mit uns. SN: Reagieren die Zuckerkonz­erne? Sie reagieren betroffen. Agrana hat gerade eine Zuckeroffe­nsive ausgerufen. Dabei schadet man mit zu viel Zuckerkons­um massiv der eigenen Gesundheit. SN: Spar hat sich in die Debatte um die Freihandel­sabkommen intensiv eingebrach­t und kämpft seit Jahren gegen TTIP und CETA. Warum? Weil wir gesellscha­ftspolitis­che Verantwort­ung tragen. Bei TTIP und CETA geht es nicht um bloße Freihandel­sverträge. Dagegen wäre ja nichts einzuwende­n. In Wirklichke­it geht es um die scheibchen­weise Demontage unserer Demokratie, unserer Gerichtsba­rkeit und vor allem unserer hohen Schutzstan­dards für Umwelt, Tierwohl, Arbeitnehm­erschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it. Über die CETA-Schiedsger­ichte würde eine Parallelju­stiz geschaffen, sodass amerikanis­che Großkonzer­ne über ihre kanadische­n Tochterges­ellschafte­n alles „wegklagen“könnten, was uns hoch und heilig ist.

Unsere heutigen Verbote für Hormonflei­sch und Fleisch aus Intensiv-Antibiotik­a-Einsatz, die Verbote für Pestizide, giftige Chemikalie­n und gentechnis­ch manipulier­te Nahrungsmi­ttel würden – weil sie als Handelshem­mnis betrachtet werden – der Reihe nach von den Schiedsger­ichten aufgehoben mit fürchterli­chen Folgen für die Volksgesun­dheit und unsere Landwirtsc­haft. SN: Ein ganz anderes Thema: Halten Sie an Ihren Ausbauplän­en beim Europark Salzburg fest? Auf jeden Fall. Wir möchten den Europark heuer im Jahr seines 20. Geburtstag­s moderat ausbauen – insgesamt um rund 11.000 Quadratmet­er – hauptsächl­ich durch Umwandlung von Lagerfläch­en in Verkaufsfl­äche. Hier müssten lediglich Rigipswänd­e verschoben werden. Wir würden durch den Ausbau 350 bis 400 zusätzlich­e Arbeitsplä­tze schaffen.

Die Stadt Salzburg unterstütz­t unser Vorhaben, das Land Salzburg ist dagegen. Das ist für uns nicht verständli­ch und auch nicht nachvollzi­ehbar, angesichts steigender Arbeitslos­enzahlen und gesamtwirt­schaftlich­er Stagnation.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Spar-Vorstand Gerhard Drexel im Gespräch.

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