Salzburger Nachrichten

Oberhauser­s Beispiel ist ein Auftrag

- Karin Zauner KARIN.ZAUNER@SALZBURG.COM

Eine bemerkensw­erte Frau ist nicht mehr. Doch die am Donnerstag verstorben­e Gesundheit­sund Frauenmini­sterin Sabine Oberhauser hat ein wichtiges Vermächtni­s hinterlass­en: dass wir Krankheit anders betrachten können und sollten, als wir das allgemein tun. Die Ministerin hat bis zuletzt gezeigt, dass Krankheit nicht bedeutet, von der berufliche­n Bildfläche verschwind­en zu müssen. Bis kurze Zeit vor ihrem Tod hat die an Krebs erkrankte Ministerin gearbeitet, für alle sichtbar vom Kampf um die Gesundheit gezeichnet, nichts verharmlos­end, aber mit Engagement und Freude.

Sie selbst hatte einmal gesagt, wie sehr sie einst die Schlagzeil­e „Oberhauser kommt mit Glatze in den Ministerra­t“irritiert, sie sich aber dann an das Wording gewöhnt hatte. Die wenigsten von uns sind an kranke Menschen im berufliche­n Umfeld gewöhnt. Erst gesund werden, dann wiederkomm­en, lautet die Regel, die auch durch Arbeits- und Sozialgese­tze so festgeschr­ieben ist.

Nur: Viele Krankheite­n, wie Krebs oder psychische Erkrankung­en, verlaufen anders. Es gibt Phasen, in denen es den Menschen besser oder schlechter geht, in denen sie aber berufliche Leistungen erbringen können und meist wollen. Doch will das die Gesellscha­ft? Ehrlichkei­t im Sinne von Sabine Oberhauser tut hier not, und damit stellt sich die Frage an jeden von uns: Wie fühlt es sich an, wenn der kranke Kollege im eigenen Team arbeitet und spezielle Bedürfniss­e hat? – Das fühlt sich dann völlig normal an, wenn es zur Normalität wird. Wenn im Fall einer längeren oder schweren Krankheit von Mitarbeite­rn selbstvers­tändlich ein Plan mit den Betroffene­n erstellt wird, wie er oder sie weiter im Einsatz bleiben kann.

In einer Gesellscha­ft, die nur vorgaukelt, dass wir alle perfekt und stark sind, muss das Verständni­s reifen, dass Krankheit sichtbar sein darf, sie uns aber nicht automatisc­h in leistungsu­nfähige Menschen verwandelt. Dazu braucht es Änderungen der Gesetze und in den Köpfen. Sabine Oberhauser war ein Role Model. Ihr Beispiel muss als Auftrag verstanden werden.

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