Skandalstadt Wien
Millionenbetrug bei Gemeindebauten, Fördermissbrauch bei Kindergärten: Die Stadt Wien kämpft an vielen Fronten mit Korruption.
WIEN. Kontrolle, Aufsicht, Interne Revision: In der Stadt Wien scheinen die Kontrollmechanismen vor allem in vielen SPÖgeführten Ressorts zu versagen. Transparenz ist ein Fremdwort, nicht nur die Rathausopposition klagt über mangelnde Einsichtsmöglichkeiten und Verschwiegenheit, sondern selbst die mitregierenden Grünen. Die skandalträchtigsten Baustellen finden sich beim Wohnbau, bei der Gesundheit und im Bildungsbereich. Übrigens: Die Interne Revision der Stadt ist in die Magistratsdirektion eingegliedert, die wiederum direkt an Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) Bericht erstattet.
Wohnbau
Die der Stadt Wien gehörende Gesellschaft „Wiener Wohnen“soll bei Renovierungsarbeiten in Gemeindebauten in großem Stil betrogen worden sein. Die Rede ist von 65 Mill. Euro Schaden. Begangen von Handwerksbetrieben im Zusammenwirken mit Bediensteten von „Wiener Wohnen“. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft führt insgesamt 93 Personen als Beschuldigte, darunter 32 Beamte bzw. Ver- tragsbedienstete. Seit 2012 laufen Ermittlungen wegen Verdacht des schweren Betrugs, der Bestechlichkeit sowie wettbewerbsbeschränkender Preisabsprachen. Jährlich werden in Wien rund 9000 Gemeindewohnungen saniert. Bei den Renovierungsarbeiten sollen diverse Unternehmen (Glaser, Maler, Bodenleger und Fliesenleger) die Preise abgesprochen und Arbeiten zu teuer verrechnet oder verrechnete Leistungen nicht oder bewusst minderwertig erbracht haben. So seien Wohnungen nur ein Mal ausgemalt, aber sieben Anstriche verrechnet worden. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) will von Versäumnissen nichts wissen. Die Kontrollmaßnahmen seien bereits vor einigen Jahren verschärft worden. Inzwischen gelte das Vierbzw. Sechsaugenprinzip. Unter Verdacht stehende Mitarbeiter seien zudem in andere Magistratsabteilungen versetzt oder vorübergehend suspendiert worden, sagte Ludwig.
Kindergärten
Der Stadtrechnungshof bemängelt die Kontrolle von Fördergeld bei den Kindergärten. Immer wieder sind Missbrauchsfälle von Subventionen im Ressort von Neostadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) publik geworden. Kassiert wurde beispielsweise für Kinder, die gar nicht betreut wurden. Was in mehreren Fällen den Stopp von Subventionszahlungen zur Folge hatte. So schlitterten im Vorjahr die „Alt-Wien“Kindergärten in die Pleite, nachdem mehr als 6,5 Mill. Euro an Fördergeld nicht zweckgemäß verwendet worden sein sollen. Betroffen waren 800 Kinder, die andernorts untergebracht werden mussten.
Der Betreiber eines islamischen Bildungszentrums in Floridsdorf, das im Juni 2016 in Konkurs ging, befindet sich in U-Haft. Ermittelt wird wegen Untreue, Förderungsmissbrauchs und betrügerischer Krida. Ein anderer wird verdächtigt, Millionenförderungen erschlichen und damit unter anderem einen Marmorbrunnen errichtet zu haben. Die Stadt fördert insgesamt 420 private Kinderbetreuungsorganisationen, die 1600 Standorte betreiben. Sie erhalten im Schnitt pro Kind 550 Euro im Monat.
Spitäler
Die größte und teuerste Baustelle Österreichs befindet sich in Wien-Floridsdorf. Eigentlich sollte das Krankenhaus Nord mit insgesamt 785 Betten und einer verbauten Fläche von 51.000 Quadratmetern längst in Betrieb sein. Doch Fehlplanungen und Konkurse von Baufirmen führen zu mindestens drei Jahren Verzögerung. Sollten dort 2015 die ersten Patienten behandelt werden, so hofft der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) als Bauherr derzeit auf einen Vollbetrieb Ende 2018. Auch die Kosten schießen durch die Decke: 2005 kalkulierte der KAV 300 Mill. Euro für halb so viele Betten. Daraus wurden 825 Millionen, im Moment spricht der Bauherr von 1,1 Milliarden Euro. Die Finanzierung sei nur für knapp 660 Mill. Euro gesichert, moniert der Stadtrechnungshof. Wer die übrigen 440 Mill. Euro aufbringen soll, weiß niemand. Das Krankenhaus Nord ist nicht die einzige Baustelle im Gesundheitsressort, die Sonja Wehsely ihrer Nachfolgerin Sandra Frauenberger (beide SPÖ) hinterlassen hat: Gangbetten in Spitälern sorgten ebenso für Unmut wie die neuen Arbeitszeiten für Spitalsärzte, was Proteste nach sich zog. Dabei gibt der KAV jährlich Unsummen – 2015 waren es 17 Mill. Euro – für externe Berater aus.