Flüchtlinge nehmen Ausweichroute
Spanien kann durchatmen, während in Italien der Notstand herrscht.
Vor einem Jahrzehnt kappte Spanien die Flüchtlingsroute von Westafrika über den Atlantik auf die Kanarischen Inseln: Patrouillenboote zwangen die Migrantenschiffe zur Umkehr, Herkunfts- und Transitländer wurden mit Milliardenhilfen für die Rücknahme von Flüchtlingen belohnt.
Das „spanische Modell“wird seitdem gern als vorbildlich gelobt. Und aus spanischer Sicht war es ein Erfolg: Im vergangenen Jahr gelang es nur noch ein paar Hundert Afrikanern, die Kanaren zu erreichen. 2006 waren noch 32.000 Flüchtlinge auf den Ferieninseln gestrandet.
Versiegt ist der Strom aus Westafrika aber nicht. Er wurde nur umgeleitet, und zwar vor allem an die Küste Italiens. Mit dem Ergebnis, dass sich Spanien derzeit ziemlich selbstzufrieden zurücklehnt und sich als „Beispiel“sieht – während in den italienischen Aufnahmelagern der Notstand herrscht.
Nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex stammten 2016 mehr als die Hälfte der 180.000 in Italien angekommenen Flüchtlinge aus Westafrika, vor allem aus dem Krisenland Nigeria. Nach Eritrea und Somalia stammen auch insgesamt die meisten afrikanischen Flüchtlinge aus Nigeria.
Nach jahrelangen Kämpfen ist es in Nigeria zwar gelungen, die Terrormiliz Boko Haram zurückzudrängen, nun droht dem Land aber eine humanitäre Katastrophe durch eine Hungersnot. Laut Angaben der Vereinten Nationen sind in Nigeria und angrenzenden Gebieten um den Tschadsee sieben Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen, eine halbe Million Kinder leidet unter akuter Mangelernährung. Rund 1,5 Milliarden Euro werden heuer voraussichtlich für humanitäre Hilfe in der Region notwendig sein. Ein Teil davon wurde gestern, Freitag, bei einer Konferenz der größten Geberländer in Oslo aufgestellt, wo 458 Mill. Euro zugesagt wurden. Der größte Teil kommt mit 120 Millionen Euro von Deutschland.