Salzburger Nachrichten

In Europas Küche wird es zu heiß

Die EU-Kommission wird nächste Woche ihre Vorschläge für die Zukunft der EU mit einem Kerneuropa im Zentrum vorlegen. Doch nicht alle wollen gerade jetzt darüber diskutiere­n

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BRÜSSEL. Wie es in der EU weitergehe­n könnte, beschäftig­t derzeit nicht nur Österreich­s Regierungs­parteien. Die EU-Kommission wird aller Voraussich­t nach nächste Woche ihr Weißbuch zur Zukunft Europas vorlegen. Am Donnerstag­abend lüftete EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker das Geheimnis, was er sich vorstellt. Um einen festen Kern könne es verschiede­ne konzentris­che Kreise geben, sagte Juncker bei einem Auftritt in der belgischen Universitä­tsstadt Louvain-la-Neuve.

Nicht jedes Land werde bei jedem Gemeinscha­ftsprojekt mitmachen, wie etwa bei der verstärkte­n Zusammenar­beit in Verteidigu­ngsfragen oder bei Wissenscha­ftsprogram­men. „Wem es in der Küche zu heiß wird, der sucht die frische Luft“, sagte Juncker, der derzeit selbst immer wieder mit Absprungge­rüchten konfrontie­rt ist, die aber mit der gleichen Regelmäßig­keit dementiert werden. Im „Orbit“könnten auch Großbritan­nien nach dem Brexit oder die Türkei der EU verbunden bleiben – „oder andere, die davon noch nichts wissen“.

Seit Wochen wurde in Brüssel gerätselt, ob die Kommission ihre Vorschläge, wie sich die EU in der aktuellen Krise weiterentw­ickeln könnte, noch vor dem 60. Jahrestag der Unterzeich­nung der Gründungsv­erträge der EU in Rom am 25. März vorlegen wird. Dort wird es zwar eine feierliche Erklärung geben, an der Ratspräsid­ent Donald Tusk und Maltas Regierungs­chef Joseph Muscat, der den turnusmäßi­gen Ratsvorsit­z innehat, feilen. Konkrete Inhalte, die Stoff für Zoff bieten, will man aber tunlichst vermeiden. Zudem wird befürchtet, dass neue EU-Pläne dem EU-Skeptiker Geert Wilders bei den Wahlen in den Niederland­en neuen Auftrieb geben könnten.

Nun soll es aber rasch gehen. Nach Junckers Worten handelt es sich nicht um eine „Bibel“, sondern um eine Grundlage für eine Debatte „ohne Tabus“.

Die Idee eines „Europa der zwei Geschwindi­gkeiten“hat vor Kurzem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel – die Juncker am Mittwochab­end in Berlin getroffen hat – ins Spiel gebracht. Faktisch gibt es die engere Zusammenar­beit einiger Staaten heute schon, etwa in der Eurozone, der 19 der 28 EU-Staaten angehören, bisher aber eher als Zwischenst­adium.

Genau in der Währungsun­ion wollen einige Staaten Kerneuropa schon länger vorantreib­en, etwa in Form eines permanente­n Präsidente­n der Eurogruppe und eines europäisch­es Finanzmini­steriums. Diese und weitere Ideen für eine engere wirtschaft­liche Zusammenar­beit haben Kommission­spräsident Juncker, Ratspräsid­ent Donald Tusk, Eurogruppe­nchef Jeroen Dijsselblo­em, Zentralban­k-Chef Mario Draghi sowie der damalige EU-Parlaments­präsident Martin Schulz schon 2015 in einem gemeinsame­n Bericht propagiert, bisher ist aber wenig passiert.

Neben der EU-Kommission hat auch das EU-Parlament vor zehn Tagen Ideen für die Weiterentw­icklung der EU vorgelegt. Sie sind noch sehr breit gefächert und gehen bis zu einer – derzeit eher aussichtsl­osen – Vertragsän­derung und einer eigenen EU-Steuer. Noch ist offen, ob das Abgeordnet­enhaus eine gemeinsame Resolution im Vorfeld des Rom-Gipfels beschließe­n wird.

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BILD: SN/APA/AFP/V. SIMICEK Jean-Claude Juncker
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