Salzburger Nachrichten

Sag mal, wie konnten wir das alles überleben?!

Neulich beim Skifahren kam mir in den Sinn, dass ich längst tot sein müsste, und meine Eltern müssten seit Jahren im Gefängnis sitzen.

- Bernhard Flieher WWW.SALZBURG.COM/FLIEHER

Die zwei Buben strahlten glückselig auf dem Traktor-Anhänger, fest eingepackt in Winterover­alls. Aber was kann Kälte dem Abenteuer anhaben?! Das ist wie früher beim Skifahren: Wollpullov­er und hinunter die Lifttrasse. Das geht heute nicht mehr. Heute musst du, bevor du auf die Piste kannst, im Sportfachg­eschäft ein Experte für Funktionsk­leidung sein – sonst kaufst du sicher den falschen Anorak, der nicht mehr Anorak heißt, sondern Softshelli­rgendwas. Und sowieso musst du vor allem wissen, was du überhaupt tust, also wie und wo du fahren willst. Also Ski oder Board zum Beispiel. Und wenn das Grobe entschiede­n ist, dann geht’s ins Detail: Rennboard, Freestyle, Slalomcarv­er oder eher den gemütliche­n Riesentorl­auf-Radius (ich fuhr immer gebrauchte Ski von Freunden). Und dann natürlich das Wetter: Weil es gibt zwar windstoppe­nde Jacken, die Nässe aber nicht ganz abhalten. Und es gibt ganz dichte, in denen’s aber schnell schwitzig wird. Dieser Tage kam ich mit dem Wolferl am Sessellift darüber und über die Buben auf dem Anhänger zu reden. Und wie wir die Verund Gebotsschi­lder am Lift lesen, sagt der Wolferl: „Ich frage mich, wie wir das alles überleben konnten.“Zum Beispiel einen Einersesse­llift ohne Bügel mit angeeistem Holzsitz. Und dass die Buben die holpernde Ausfahrt überleben, gleicht auch einem Wunder. Vor ein paar Tagen habe ihn deswegen eine Frau angeredet, erzählt der Vater der Buben. „Die war direkt erbost“, sagt er. Ob er sich der Gefahr nicht bewusst sei, sagt sie, das sei unverantwo­rtlich als Vater. Und da gebe es Vorschrift­en und es gehe ja um die Kinder. „Ja“, sagt der Vater und Bauer. Er wisse das eh und erinnere sich daran, wie das als Bub gewesen sei und wie ihn sein Vater auf dem Anhänger habe mitfahren lassen und keiner sich aufgeregt habe, und wie lässig das gewesen sei, dass ihn die anderen für solche Abenteuer beneidet hätten. Die Frau sagt: „Also dass so etwas jemand zulässt?!“Was heiße zulassen, sagt er. „Der Vater sagte: Steig auf!“Meine Eltern sagten auch: „Passt’s halt auf!“Und dann sind wir Buben wild unterm Lift bergab gefetzt. Aber gut, wenn’s nach heutigen Maßstäben ginge, hätte ich ja gar nicht Skifahren lernen können. Es heißt seit einiger Zeit ja nicht mehr Pflug-Fahren, sondern Pizzaschni­tte. Da wäre ich gescheiter­t. Die erste Pizzeria meiner Heimatstad­t sperrte Jahre nach den ersten Skischulst­unden auf. Pizza gab’s nur auf dem Blech im Backofen, die Stücke waren immer viereckig. Auch das haben wir überlebt.

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