Salzburger Nachrichten

Die Antike war schon ziemlich dekadent

Der niederländ­ische Maler Lawrence AlmaTadema wurde im Viktoriani­schen Zeitalter in Großbritan­nien mit Genreszene­n zum Star.

- Lawrence AlmaTadema, „Dekadenz & Antike“, Unteres Belvedere. Bis 18. Juni.

Da hat er es noch ganz gut getroffen, der Knabe Moses. Seine Eltern hatten das Baby in einem Binsenkörb­chen ausgesetzt auf dem Nil, und wer fand ihn? Die Tochter des Pharao persönlich. Zwei fesche Sklavinnen schulterte­n das Körbchen, während die Prinzessin freudig lächelnd von ihrer Sänfte auf den Überraschu­ngsfund blickt. Natürlich fächeln ihr Sklaven die nötige Frischluft ins Gesicht, es war ziemlich warm im alten Ägypten. Gemalt hat die Szene der viktoriani­sche Salonlöwe und Starkünstl­er Lawrence Alma-Tadema, im Jahr 1904, nachdem er von seiner Expedition zur Einweihung des Staudamms von Assuan 1902 zurückgeke­hrt war, für dessen Konstrukte­ur, den englischen Ingenieur Sir John Aird. Dieser bezahlte das Werk mit damals enormen 5000 Guineas.

Gerade dieses Bild ist ein Beispiel, wie sehr das Interesse des Kunstmarkt­es am Historienm­aler gestiegen ist. Als „The Finding of Moses“im Mai 1995 bei Christie’s in New York für 2,5 Millionen Dollar zugeschlag­en wurde, war das ein Rekordprei­s für den Maler, der mehr als fünfzehn Jahre lang hielt. Und bei der New Yorker Sotheby’s-Auktion 2010 zahlte ein anonymer Bieter 32 Millionen Dollar, die Schätzung war von drei bis fünf Millionen für das Ölbild ausgegange­n.

„Warum jetzt Lawrence AlmaTadema im Belvedere?“Es schien auch Stella Rollig, die neue Belvedere-Chefin, bei der Presseführ­ung zu erstaunen, warum Alfred Weidinger, der Kurator, gerade auf den gebürtigen Niederländ­er stieß. Weidinger wiederum hat Erfahrunge­n, 2010 war schon die BelvedereS­chau „Schlafende Schönheit“ein Erkenntnis­gewinn, wie sehr die viktoriani­sche Malerei Einfluss auf österreich­ische Künstler hatte. Der junge Gustav Klimt etwa, der an den Wand- und Deckengemä­lden des Burgtheate­rs oder Kunsthisto­rischen Museums arbeitete, kannte den damals schon berühmten Alma-Tadema sicherlich. Weidinger sieht die Ausstellun­g auch als Erweiterun­g des Horizonts. „Jetzt können wir nach einer intensiven Aufarbeitu­ng der Künstler der klassische­n Wiener Moderne auch über den Tellerrand blicken.“

Dazu gehört nun auch ein Künstler, der in der Kunstgesch­ichte schon Ende des 19. Jahrhunder­ts umstritten war. Süßlich-kitschig wurden die Historieng­emälde bezeichnet – da liegt man aus heutiger Sicht nicht weit daneben, schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass ein Paul Cézanne (1839–1906) fast dieselben Lebensdate­n aufweist wie Alma-Tadema (1836–1912). Da sind Welten dazwischen, aber schön sind die, die ästhetisie­rten Bilder einer Antike, die Lawrence Alma-Tadema, einer der teuersten Maler seiner Zeit, in Rom, Pompeji oder in Ägypten ansiedelte. Gemeinsam mit seiner Frau war der Maler gern zu den Ausgrabung­sstätten gereist. Er nützte aber auch die Häuser in London als Inspiratio­n seiner Szenen. In der Ausstellun­g wird eine Vorzimmerw­and gezeigt mit hohen, schmalform­atigen Bildern, wie sie befreundet­e Künstler dem Atelierhau­s als Schenkung überließen. Aber auch für die Theaterarc­hitektur („Coriolan“) griff man gern auf Anregungen von Alma-Tadema zurück.

Dass auch Filmregiss­eure sich für ihre Historiens­chinken anregen ließen, zeigt das Belvedere mit Filmaussch­nitten von „Quo vadis?“und sogar Ridley Scotts „Gladiator“.

Alma-Tadema wurde in Friesland geboren, in Brüssel ausgebilde­t, wanderte aber bereits 1870 nach London aus. Königin Viktoria schlug ihn 1899 zum Ritter, sein Grab befindet sich in der St. Paul’s Cathedral. Die Wiener Ausstellun­g kam in Zusammenar­beit mit dem Fries Museum zustande und wandert an das Leighton House in London weiter. Ausstellun­g:

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BILD: SN/BELVEDERE/COURTESY CHRISTIE’S Lawrence Alma-Tadema: „Auffindung Mose“wurde um rund 30 Millionen Euro ersteigert.

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