Die Antike war schon ziemlich dekadent
Der niederländische Maler Lawrence AlmaTadema wurde im Viktorianischen Zeitalter in Großbritannien mit Genreszenen zum Star.
Da hat er es noch ganz gut getroffen, der Knabe Moses. Seine Eltern hatten das Baby in einem Binsenkörbchen ausgesetzt auf dem Nil, und wer fand ihn? Die Tochter des Pharao persönlich. Zwei fesche Sklavinnen schulterten das Körbchen, während die Prinzessin freudig lächelnd von ihrer Sänfte auf den Überraschungsfund blickt. Natürlich fächeln ihr Sklaven die nötige Frischluft ins Gesicht, es war ziemlich warm im alten Ägypten. Gemalt hat die Szene der viktorianische Salonlöwe und Starkünstler Lawrence Alma-Tadema, im Jahr 1904, nachdem er von seiner Expedition zur Einweihung des Staudamms von Assuan 1902 zurückgekehrt war, für dessen Konstrukteur, den englischen Ingenieur Sir John Aird. Dieser bezahlte das Werk mit damals enormen 5000 Guineas.
Gerade dieses Bild ist ein Beispiel, wie sehr das Interesse des Kunstmarktes am Historienmaler gestiegen ist. Als „The Finding of Moses“im Mai 1995 bei Christie’s in New York für 2,5 Millionen Dollar zugeschlagen wurde, war das ein Rekordpreis für den Maler, der mehr als fünfzehn Jahre lang hielt. Und bei der New Yorker Sotheby’s-Auktion 2010 zahlte ein anonymer Bieter 32 Millionen Dollar, die Schätzung war von drei bis fünf Millionen für das Ölbild ausgegangen.
„Warum jetzt Lawrence AlmaTadema im Belvedere?“Es schien auch Stella Rollig, die neue Belvedere-Chefin, bei der Presseführung zu erstaunen, warum Alfred Weidinger, der Kurator, gerade auf den gebürtigen Niederländer stieß. Weidinger wiederum hat Erfahrungen, 2010 war schon die BelvedereSchau „Schlafende Schönheit“ein Erkenntnisgewinn, wie sehr die viktorianische Malerei Einfluss auf österreichische Künstler hatte. Der junge Gustav Klimt etwa, der an den Wand- und Deckengemälden des Burgtheaters oder Kunsthistorischen Museums arbeitete, kannte den damals schon berühmten Alma-Tadema sicherlich. Weidinger sieht die Ausstellung auch als Erweiterung des Horizonts. „Jetzt können wir nach einer intensiven Aufarbeitung der Künstler der klassischen Wiener Moderne auch über den Tellerrand blicken.“
Dazu gehört nun auch ein Künstler, der in der Kunstgeschichte schon Ende des 19. Jahrhunderts umstritten war. Süßlich-kitschig wurden die Historiengemälde bezeichnet – da liegt man aus heutiger Sicht nicht weit daneben, schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass ein Paul Cézanne (1839–1906) fast dieselben Lebensdaten aufweist wie Alma-Tadema (1836–1912). Da sind Welten dazwischen, aber schön sind die, die ästhetisierten Bilder einer Antike, die Lawrence Alma-Tadema, einer der teuersten Maler seiner Zeit, in Rom, Pompeji oder in Ägypten ansiedelte. Gemeinsam mit seiner Frau war der Maler gern zu den Ausgrabungsstätten gereist. Er nützte aber auch die Häuser in London als Inspiration seiner Szenen. In der Ausstellung wird eine Vorzimmerwand gezeigt mit hohen, schmalformatigen Bildern, wie sie befreundete Künstler dem Atelierhaus als Schenkung überließen. Aber auch für die Theaterarchitektur („Coriolan“) griff man gern auf Anregungen von Alma-Tadema zurück.
Dass auch Filmregisseure sich für ihre Historienschinken anregen ließen, zeigt das Belvedere mit Filmausschnitten von „Quo vadis?“und sogar Ridley Scotts „Gladiator“.
Alma-Tadema wurde in Friesland geboren, in Brüssel ausgebildet, wanderte aber bereits 1870 nach London aus. Königin Viktoria schlug ihn 1899 zum Ritter, sein Grab befindet sich in der St. Paul’s Cathedral. Die Wiener Ausstellung kam in Zusammenarbeit mit dem Fries Museum zustande und wandert an das Leighton House in London weiter. Ausstellung: