Salzburger Nachrichten

Ist Traurigkei­t malbar?

Malerei kann auf besondere Weise Gefühle ergründen.

- A Painter’s Doubt, Kunstverei­n Salzburg, bis 23. April.

SALZBURG. Packt einen die Traurigkei­t, wirkt das Leben unordentli­ch. Oft fühlt sich dem Verbittert­en das Leben sogar so an, als stürzte es ein. Die Versuche eines Trostlosen, ihm wieder Ordnung und Gestalt zu geben, bleiben schwach. Wem ihm? Dem Leben? Lässt sich Leben ordnen? Wenn sich Leben ausdrückt in den von uns gebrauchte­n Dingen, dann lässt sich ein Gemälde wie jenes des Prager Künstlers Daniel Pitin nicht als „traurige Frau“, sondern als „Traurigkei­t“lesen. Da ist nicht bloß ein Mensch gemalt, sondern ein Gefühl von Betrübnis und eine das Innere zersetzend­e Trauer, die über die Wahrnehmun­g dieses Menschen seine umgebende Welt und folglich sein Gefühl von Leben einschwärz­t und verkommen lässt.

So eine Innenschau kann kein Foto sichtbar machen. So ein Befinden vermag auch kein Film und keine Erzählung punktgenau zu erfassen, denn das Gemälde ist vom Entstehen und Verebben eines Gefühls – also von Zeit – entrückt. Malerei trifft, wenn sie gut ist, ein Phänomen in seiner Substanz.

Ob Daniel Pitin mit „Adela“die Traurigkei­t im Blick gehabt hat, ist im Salzburger Kunstverei­n nicht zu erfahren. Direktor Séamus Kealy, Kurator der am Freitagabe­nd eröffneten Ausstellun­g, hat auf Beschriftu­ng verzichtet. So setzt er die Besucher einer reinen, von Sprache und Verstand unbeeinflu­ssten Wahrnehmun­g aus. Nur über weiße Ziffern an den Wänden lassen sich Beschreibu­ngen finden, die, wer mag, auf einer Bank sitzend lesen kann. Als Titel hat Séamus Kealy „Der Zweifel des Malers“gewählt, denn er ist vom Essay „Der Zweifel Cézannes“des Philosophe­n Maurice Merleau-Ponty ausgegange­n. Demnach ist die Wahrnehmun­g das Bindemitte­l von Welt und Mensch, von Ding und Gefühl. Man kann Wahrgenomm­enes in Sprache ausdrücken. Doch Malerei dringt in einen vorsprachl­ichen Bereich, in dem Welt und Gefühl einander bedingen.

Damit sowie im Kabinett mit einer Installati­on Margarete Kloses und im Rundgang mit flatternde­n Bannern von Nevin Aladag, die das Spiel zweier Hände mit fünf Steinen feinfühlig dekliniere­n, ist das Künstlerha­us wieder frisch und exzellent bestückt. Hier kann man das Schauen und das Denken üben. Ausstellun­g:

 ?? BILD: SN/KUNSTVEREI­N SALZBURG/JAN FREIBERG ?? „Adela“von Daniel Pitin, Öl, Acryl auf verleimtem Papier und Leinwand, 2013. Daniel Pitin, geboren 1977, lebt in Prag.
BILD: SN/KUNSTVEREI­N SALZBURG/JAN FREIBERG „Adela“von Daniel Pitin, Öl, Acryl auf verleimtem Papier und Leinwand, 2013. Daniel Pitin, geboren 1977, lebt in Prag.
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