Ist Traurigkeit malbar?
Malerei kann auf besondere Weise Gefühle ergründen.
SALZBURG. Packt einen die Traurigkeit, wirkt das Leben unordentlich. Oft fühlt sich dem Verbitterten das Leben sogar so an, als stürzte es ein. Die Versuche eines Trostlosen, ihm wieder Ordnung und Gestalt zu geben, bleiben schwach. Wem ihm? Dem Leben? Lässt sich Leben ordnen? Wenn sich Leben ausdrückt in den von uns gebrauchten Dingen, dann lässt sich ein Gemälde wie jenes des Prager Künstlers Daniel Pitin nicht als „traurige Frau“, sondern als „Traurigkeit“lesen. Da ist nicht bloß ein Mensch gemalt, sondern ein Gefühl von Betrübnis und eine das Innere zersetzende Trauer, die über die Wahrnehmung dieses Menschen seine umgebende Welt und folglich sein Gefühl von Leben einschwärzt und verkommen lässt.
So eine Innenschau kann kein Foto sichtbar machen. So ein Befinden vermag auch kein Film und keine Erzählung punktgenau zu erfassen, denn das Gemälde ist vom Entstehen und Verebben eines Gefühls – also von Zeit – entrückt. Malerei trifft, wenn sie gut ist, ein Phänomen in seiner Substanz.
Ob Daniel Pitin mit „Adela“die Traurigkeit im Blick gehabt hat, ist im Salzburger Kunstverein nicht zu erfahren. Direktor Séamus Kealy, Kurator der am Freitagabend eröffneten Ausstellung, hat auf Beschriftung verzichtet. So setzt er die Besucher einer reinen, von Sprache und Verstand unbeeinflussten Wahrnehmung aus. Nur über weiße Ziffern an den Wänden lassen sich Beschreibungen finden, die, wer mag, auf einer Bank sitzend lesen kann. Als Titel hat Séamus Kealy „Der Zweifel des Malers“gewählt, denn er ist vom Essay „Der Zweifel Cézannes“des Philosophen Maurice Merleau-Ponty ausgegangen. Demnach ist die Wahrnehmung das Bindemittel von Welt und Mensch, von Ding und Gefühl. Man kann Wahrgenommenes in Sprache ausdrücken. Doch Malerei dringt in einen vorsprachlichen Bereich, in dem Welt und Gefühl einander bedingen.
Damit sowie im Kabinett mit einer Installation Margarete Kloses und im Rundgang mit flatternden Bannern von Nevin Aladag, die das Spiel zweier Hände mit fünf Steinen feinfühlig deklinieren, ist das Künstlerhaus wieder frisch und exzellent bestückt. Hier kann man das Schauen und das Denken üben. Ausstellung: