Wer den Journalismus stärkt, stärkt die Demokratie
In der Schweiz lenkt der SRG-Chef den Blick auf das größere Ganze. In Österreich steht die ORF-Enquete bevor.
Roger de Weck will nicht, dass die SRG wie ARD und ZDF abends frei von Werbung wird. Das helfe bloß den Schweizer Fenstern internationaler Privat-TV-Kanäle. Der scheidende Generaldirektor bevorzugt eine Deckelung öffentlich-rechtlicher Einnahmen, die ab Überschreitung dieser Schwelle zur allgemeinen Medienförderung dienen sollen. Als wichtigere Frage sieht der Schweizer aber die künftige Finanzierung von Journalismus.
Da denkt einer etwas weiter, als es Vorgeplänkel zur ORF-Enquete in Österreich erwarten lassen. Das parteiliche Hickhack von Erhöhung des Programmentgelts über Streichung der Rundfunkgebühr bis zu Einführung der Haushaltsabgabe ist nur kurzfristiges Taktieren. Bestenfalls geht es um die Verteidigung des nationalen Medienmarktteilnehmers Nummer eins. Einerseits verstellt solch wirtschaftliches Kalkül den Blick aufs größere Ganze. Andererseits überlagert auch ein kleines ethisches Einmaleins wie bei der neuen Presseförderung die wahre Herausforderung: Es braucht eine langfristige Strategie zur Bewahrung der Kontrolle. „Jede Schwächung des Journalismus schwächt die Demokratie, die auf eine aufgeklärte Öffentlichkeit angewiesen ist“, sagt Volkswirt und Journalist de Weck.
Sein österreichisches Pendant, Alexander Wrabetz, will hingegen den ORF bis 2022 zum Social-Media-Haus entwickeln. Klingt schick, wirkt zeitgeistig, ist aber kaum zukunftsträchtig, solange es sich am Kern der Sache vorbeischwindelt – Journalismus.
Österreich und die Schweiz taugen gut für Vergleiche, obwohl es selten Parallelen gibt. Auch die Medienlandschaft hat sich in der viersprachigen Eidgenossenschaft kontinuierlich anders entwickelt als hierzulande infolge der Neuaufstellung durch die Alliierten ab 1945. Doch so wie dort die öffentlich-rechtliche SRG eine halbe Umsatzmilliarde vor den pri- vatwirtschaftlichen Tamedia und Ringier rangiert, liegt hier der ORF vor Mediaprint und Styria. Daraus ergeben sich Ausnahme- und Aufgabenstellung für die Öffi-Chefs: Klassensprecher, Rufer in der Wüste.
Diese Position ist in Österreich seit 1994 bzw. Generalintendant Gerd Bacher verwaist. Seinen Nachfolgern Gerhard Zeiler, Gerhard Weis und Monika Lindner genügte Selbstverteidigung. Politik aber braucht einen Pingpong-Partner auf Augenhöhe, der über den eigenen Tellerrand hinausdenkt. Die ORF-Enquete gibt Wrabetz die Möglichkeit, endlich eine tragendere Rolle zu spielen als jene des Küniglburgherren. Dazu muss er sich wie de Weck am größeren Ganzen orientieren. Dies ist nicht Facebook, sondern das sind der Journalismus und die Demokratie.