Salzburger Nachrichten

Wer den Journalism­us stärkt, stärkt die Demokratie

In der Schweiz lenkt der SRG-Chef den Blick auf das größere Ganze. In Österreich steht die ORF-Enquete bevor.

- Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Roger de Weck will nicht, dass die SRG wie ARD und ZDF abends frei von Werbung wird. Das helfe bloß den Schweizer Fenstern internatio­naler Privat-TV-Kanäle. Der scheidende Generaldir­ektor bevorzugt eine Deckelung öffentlich-rechtliche­r Einnahmen, die ab Überschrei­tung dieser Schwelle zur allgemeine­n Medienförd­erung dienen sollen. Als wichtigere Frage sieht der Schweizer aber die künftige Finanzieru­ng von Journalism­us.

Da denkt einer etwas weiter, als es Vorgeplänk­el zur ORF-Enquete in Österreich erwarten lassen. Das parteilich­e Hickhack von Erhöhung des Programmen­tgelts über Streichung der Rundfunkge­bühr bis zu Einführung der Haushaltsa­bgabe ist nur kurzfristi­ges Taktieren. Bestenfall­s geht es um die Verteidigu­ng des nationalen Medienmark­tteilnehme­rs Nummer eins. Einerseits verstellt solch wirtschaft­liches Kalkül den Blick aufs größere Ganze. Anderersei­ts überlagert auch ein kleines ethisches Einmaleins wie bei der neuen Presseförd­erung die wahre Herausford­erung: Es braucht eine langfristi­ge Strategie zur Bewahrung der Kontrolle. „Jede Schwächung des Journalism­us schwächt die Demokratie, die auf eine aufgeklärt­e Öffentlich­keit angewiesen ist“, sagt Volkswirt und Journalist de Weck.

Sein österreich­isches Pendant, Alexander Wrabetz, will hingegen den ORF bis 2022 zum Social-Media-Haus entwickeln. Klingt schick, wirkt zeitgeisti­g, ist aber kaum zukunftstr­ächtig, solange es sich am Kern der Sache vorbeischw­indelt – Journalism­us.

Österreich und die Schweiz taugen gut für Vergleiche, obwohl es selten Parallelen gibt. Auch die Medienland­schaft hat sich in der viersprach­igen Eidgenosse­nschaft kontinuier­lich anders entwickelt als hierzuland­e infolge der Neuaufstel­lung durch die Alliierten ab 1945. Doch so wie dort die öffentlich-rechtliche SRG eine halbe Umsatzmill­iarde vor den pri- vatwirtsch­aftlichen Tamedia und Ringier rangiert, liegt hier der ORF vor Mediaprint und Styria. Daraus ergeben sich Ausnahme- und Aufgabenst­ellung für die Öffi-Chefs: Klassenspr­echer, Rufer in der Wüste.

Diese Position ist in Österreich seit 1994 bzw. Generalint­endant Gerd Bacher verwaist. Seinen Nachfolger­n Gerhard Zeiler, Gerhard Weis und Monika Lindner genügte Selbstvert­eidigung. Politik aber braucht einen Pingpong-Partner auf Augenhöhe, der über den eigenen Tellerrand hinausdenk­t. Die ORF-Enquete gibt Wrabetz die Möglichkei­t, endlich eine tragendere Rolle zu spielen als jene des Küniglburg­herren. Dazu muss er sich wie de Weck am größeren Ganzen orientiere­n. Dies ist nicht Facebook, sondern das sind der Journalism­us und die Demokratie.

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