Wer Figur braucht, kann sie formen
Wenn Sonntagnacht die Hollywoodstars zur Oscarverleihung schreiten, tragen manche von ihnen „Shapewear“unter Kleid oder Anzug. Solche Figurformer zaubern Pölsterchen weg, aber – auf Dauer – gesundheitliche Probleme her.
WIEN. Alle tragen sie. Oder sagen wir: Fast alle Hollywoodstars tragen sie, die Figurformer – englisch: shapewear –, wenn sie Sonntagnacht über den roten Teppich schweben, mit einem Lächeln auf den Lippen, dafür kein Gramm Fett zu viel auf den Rippen.
Wie das geht? Mit spezieller Unterwäsche, die elastisch, aber eng ist, sodass das verschwindet, was man in Österreich gemeinhin und gern verniedlichend als „Schnuderl“, „Hüftgold“, Speckrollerl“oder „Schwimmreifen“bezeichnet. Kurzum: Figurformende Unterwäsche lässt schlanker und die Körperformen ebenmäßiger erscheinen, als man in Wahrheit ist.
Wegzuschummeln, was zu viel ist, ist natürlich nicht neu. Wobei das „Zuviel“im Auge des Betrachters liegt. Bereits Kaiserin Sisi tat es. Sie schnürte gern ihre Taille mit Seidenkorsetts, sodass sie kaum noch atmen konnte. Sie tat es, obwohl sie immer eine schlanke Frau war.
Das gilt auch für die schlanke USSchauspielerin Eva Longoria aus der Fernsehserie „Desperate Housewives“und für Beyoncé, die texanische R&B- und Popsängerin, die ebenfalls keine Gewichtsprobleme zu haben scheint. Dennoch bekannten sich beide Superstars unlängst dazu, Shapewear zu tragen. Eben, um noch ein wenig perfekter auszusehen. Man kann mit solcher Miederware um einige Kilogramm leichter aussehen.
Zu exzessiv eingesetzt könne diese Unterwäsche jedoch ernsthafte gesundheitliche Probleme auslösen, warnen Experten. Im LKH Freistadt in Oberösterreich beschäftigen sich die Mediziner im Rahmen des medizinischen Schwerpunkts Gastroenterologie mit Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts sowie der Organe Leber, Gallenblase und Bauchspeicheldrüse. Dabei stoßen sie immer wieder auf die Problematik, die zu enge Kleidung mit sich bringt. „Gerade im Bauchbereich übt die körperformende Wäsche enormen Druck auf die inneren Organe aus“, sagt Norbert Fritsch, Leiter der Abteilung für Innere Medizin am LKH Freistadt. „Das betrifft Dick- und Dünndarm ebenso wie Magen, Lunge und Blase.“
Der Druck auf die Verdauungsorgane kann zu Sodbrennen führen und in weiterer Folge zu einer schmerzhaften Entzündung der Schleimhäute von Magen und Speiseröhre. Belastet die Shapewear die Blase, kann es zu einer Störung bei der Harnentleerung kommen. Zudem können die Körperformer die Rumpfmuskulatur derart schwächen, dass sich Bauch- und Rückenmuskeln zurückbilden.
Auch die Auswirkungen der Shapewear auf die Beine können gravierend sein. „Zu eng sitzende Höschen verringern die Blutzirkulation in den Beinen“, sagt Fritsch. Das kann Krampfadern, ja sogar Blutgerinnsel nach sich ziehen. Beim Sitzen können Schmerzen oder ein Taubheitsgefühl in den Beinen auftreten. Das seien absolute Alarmzeichen, warnt der Mediziner. Spätestens dann sollte man mit dem Tragen von Shapewear aufhören. Wer dennoch nicht aufs enge Cocktailkleid verzichten will, sollte auf die richtige Größe der körperformenden Wäsche achten. Als Grundregel gilt: Sobald die Enden einschneiden, ist sie zu klein und damit bedenklich für die Gesundheit. „Wer sich nur manchmal in die richtige Form schummelt, wird wohl kein Problem bekommen. Der tägliche Gebrauch der Schummelwäsche sollte aber gründlich überlegt werden“, gibt der leitende Internist in Freistadt zu bedenken.