Salzburger Nachrichten

Wie das Baby schläft

- Inge Baldinger

ICHbin beeindruck­t. Das Baby ist noch keine drei Monate alt und schläft nachts meist schon sechs Stunden durch. Wie meine Tochter das hingekrieg­t hat, weiß ich nicht. Kann auch sein, dass es am großzügige­n Wesen meiner Mini-Enkelin liegt. Vielleicht liegt es aber auch am Video-Babyphon, das mein Schwiegers­ohn installier­t hat.

Das Gerät wurde nicht etwa angeschaff­t, weil das Kinderzimm­er am anderen Ende der Wohnung liegen würde. Es wurde angeschaff­t, weil das Kinderzimm­er direkt neben der Wohnküche liegt. Dort wird abends rumort – und ohne geschlosse­ne Kinderzimm­ertür könnte die Kleine vielleicht lange keine Ruhe finden. Deshalb ist die Tür zu und das Video-Babyphon an, wenn sie in ihr Bettchen gelegt wurde. Dort gluckst und gähnt sie dann noch eine Zeit lang, ehe ihr die Augen zufallen.

Interessan­terweise übt die Möglichkei­t der Video-Überwachun­g des hinter der Tür schlafende­n Kindes eine zwanghafte Wirkung auf mich aus. Ich muss ständig auf den kleinen Bildschirm starren und kann mich folglich, wenn ich bei meiner Tochter zum Abendessen eingeladen bin, nicht am Gespräch beteiligen. Deshalb ist das Babyphon nun meist auf Audio geschaltet.

Als ich jüngst abends zum Babysitten kam, legte mir meine Tochter ans Herz, im AudioModus zu bleiben, aber möglichst nicht bei jedem Kiekser ins Kinderzimm­er zu schießen. Und sie legte mir einen Film im Fernsehen ans Herz. Glückliche­rweise streikte der Fernseher, weshalb ich jeden Grund hatte, der Live-Übertragun­g in Ton und Bild aus dem Nebenzimme­r zu folgen. Ich kann nur sagen: Hochintere­ssant!

Eben hat sie ihr Köpfchen gedreht, jetzt noch einmal und gleich noch einmal. Jetzt strampeln die Beinchen. Jetzt streckt sie sich. Jetzt verzieht sie ihr Gesicht. Weint sie jetzt gleich? Warum? Bauchweh? Hunger? Schon halb vom Sofa aufgehüpft, den Bildschirm noch im Visier, erscheint ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht. Schnell wieder hingesetzt. Jetzt gähnt sie. Jetzt gurrt sie. Jetzt schaut sie. Jetzt seufzt sie. Jetzt dreht sie, die Augen wieder geschlosse­n, den Kopf entschiede­n auf die Seite. Jetzt atmet sie ganz gleichmäßi­g. Kann ein Film im Fernsehen spannender sein? Glaube nicht.

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