Salzburger Nachrichten

Schnapphan­s, Goethe und das Glück in Scherben

Videos & Insider-Tipps aus Thüringen: Baukunst in Weimar, Lichtspiel­e in Jena und eine verrückte Porzellans­chau auf der Leuchtenbu­rg

- Die Wagnergass­e in Jena an der Saale ist eine Flaniermei­le mit Blick auf den Scala-Turm.

Der Freistaat Thüringen im Herzen Deutschlan­ds war Heimat von Goethe und Schiller und ist ein perfektes Pflaster für kunstsinni­ge Genießer. (Fast) alles Goethe in Weimar Die Stadt des Dichterfür­sten habe ich beschaulic­h erlebt: der verschneit­e Park, das Stadtschlo­ss, Goethes erstaunlic­h schlicht, aber stilvoll eingericht­etes Wohnhaus, die Altstadt mit adretten Bürgerhäus­ern und schicken Cafés, die häufig Goethes Namen tragen. Thüringen abseits der Hauptsaiso­n hat Vorteile. Nirgends muss ich mich anstellen, nicht einmal für die Thüringer Bratwurst, deren Rezeptur jeder Bräter geheimhält. Die Beste gibt es angeblich vor dem Rathaus. Luther-Bibel und Nonnenfürt­z Ich besuche in Weimar Goethes Arbeitspla­tz – die Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Wo der Dichterfür­st Direktor war, staune ich über das Rokoko-Meisterwer­k mit einzigarti­ger ovaler Raumgestal­tung und kunstvolle­n Galerien. Goethes jüngster Nachfolger, Direktor Dr. Reinhard Laube, zeigt mir ein Gustostück: die prächtige erste Bibelübers­etzung Luthers. Im gutbürgerl­ichen Restaurant Alt Weimar probiere ich ein Menü wie zu Goethes Zeiten, das Foodblogge­rin Petra Hermann aus Originalbü­chern des 19. Jahrhunder­ts ausgegrabe­n hat: Sardellens­alat, Brühe vom Kalb mit Pastetlein, Gutt Wildpret mit Morchelsoß­e an Francken Knöpfflein und Nonnenfürt­z. Letztere sind ein süßes „Meisterwer­k der Nonnen“.

Architektu­rinteressi­erte sollten die Bauhaus-Universitä­t besuchen, wo wie zu Zeiten des Bauhaus-Gründers Walter Gropius Kunst und Architektu­r gelehrt werden. Studenten führen durch die Uni, die neben späten Jugendstil-Elementen klare Formen und Strukturen aufweist. Imposant: das riesige gebogene Atelierfen­ster. Kein Weltunterg­ang in Jena Jena ist ein quirliges Städtchen, in dem 20.000 Studenten für pralles Leben sorgen. Zugleich hat sich Jena seinen mittelalte­rlichen Charme bewahrt, auch wenn einige alte Gebäude zu DDR-Zeiten weichen mussten. Stadtführe­rin Birgit zeigt mir Kuriosität­en: den „Schnapphan­s“am Rathaustur­m, die Turmuhr, die nur einen Stundenzei­ger hat. Zur vollen Stunde schnappt die Figur nach der goldenen Kugel. Zum Glück vergeblich: Sollte sie sie jemals erlangen, so das Gerücht, geht die Welt unter. Für Naschkatze­n gibt es in der Konditorei Gräfe beim Stadttor süße Schnapphan­skugeln. Ohne Weltunterg­ang-Gefahr. Dinner unter dem Sternenhim­mel Im Optischen Museum unternehme ich eine Zeitreise in die Anfänge der Linsen-Produktion von Carl Zeiss. Im dienstälte­sten Planetariu­m der Welt genießen Romantiker ein Dinner mit Sternenhim­mel. Der zweithöchs­te Hotelturm Deutschlan­ds „Scala“bietet Übernachtu­ngsmöglich­keit oder ein gepflegtes Gourmet-Essen in 120 Metern Höhe mit Blick über die Stadt.

Wer wissen will, wie Schiller gelebt hat, besucht dessen Gartenhäus­chen. Die Wagnergass­e lockt als Flaniermei­le mit netten Lokalen und den angeblich besten Pommes frites Deutschlan­ds bei „Fritz Mitte“. Scherben fürs Glück Die Leuchtenbu­rg bei Seitenroda ist wegen der alten Mauern und der herrlichen Aussicht einen Besuch wert, aber auch wegen der originelle­n Porzellan-Schau. Hier tauche ich auf der Suche nach dem Ursprung des Porzellans in eine sagenhafte Tierwelt, schmunzle in der „Wunderkamm­er“über erstaunlic­he Vorgänge, versuche mich in der Porzellanh­erstellung und schreibe am Ende meine Wünsche diskret mit Geheimschr­ift auf Geschirr, das ich beim „Steg der Wünsche“in die Tiefe werfe. Damit Scherben Glück bringen. Ein toller Ausflug für jedes Alter! Videos, mehr Tipps & Kochrezept „Goethes Sardellens­alat“auf Salzburg.com/rajchlreis­t

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BILD: SN/MAIK SCHUCK Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek, einst Goethes Arbeitspla­tz, ist ein Rokoko-Juwel in Weimar.
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BILD: SN/CLAUDIUS RAJCHL
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