„Tassie“und seine Dschungel
Am anderen Ende der Welt gibt’s Urwälder und guten Cappuccino.
Hi, how’s it going?“Dem wohl meistgehörten Satz während eines Australien-Urlaubs kann mit „fine“begegnet werden. Doch wer nicht gleich danach das Weite sucht, wird leicht in ein Gespräch verwickelt. Small Talk vielleicht, aber dennoch: Er bringt Frohsinn. Auch auf Tasmanien, der Insel unter Down Under und für viele das Ideal von einem Eiland: Es ist abwechslungsreich und zugleich kompakt genug, um im Rahmen eines Urlaubs komplett umfahren zu werden. Und „Tassie“, wie die Australier sie nennen, ist einerseits leicht zugänglich und lockt andererseits mit den Geheimnissen ihrer Urwälder, von denen es heißt, es gäbe Regionen, in denen noch nie Menschen gewesen, jedoch unbekannte Pflanzen und Tiere zu entdecken seien. Kein Wunder also, dass die zahlreichen Nationalparks und große Flächen der Insel zum UNESCO-Weltnaturerbe ernannt wurden.
Entspannter sei es hier und ruhiger, sagt Saki, daher habe sie sich entschieden, auf Tasmanien zu leben. Der Kaffee, den sie serviert, ist zwar nicht ganz so exzellent wie jener in Melbourne, aber wirklich schlechten Kaffee gibt es auch auf Tasmanien nicht. So sitzen wir also in Battery Point, einem historischen Viertel der Hauptstadt Hobart. Das britische Flair der Stadt ist gerade hier gut wahrnehmbar. Das einstige Seefahrerviertel wurde behutsam restauriert, in den Häusern haben sich Restaurants mit exzellenter internationaler Küche niedergelassen, und da ist sie dann auch wieder, die australische Höflichkeit.
Angelo Fraraccio erkundigt sich in seinem Ristorante Da Angelo nach der Herkunft der beiden Gäste. Austria, ruft er voller Freude, Nachbarn seiner italienischen Vorfahren, die dereinst noch bei Juventus Turin beinahe Fußballprofis geworden wären, und schon geht der Digestif auf seine Kosten. Das ist dann schon der zweite Gratisgang, denn den Starter gab es vom Herrn nebenan, der, überrascht über die Größe seiner Pizza, kurzerhand zwei weitere Teller orderte und so bestimmt zum Mitessen einlud, dass an Ablehnen nicht zu denken war.
Nach dem Kaffee geht es runter zum Salamanca Place. Es ist Markttag, statt der sonst obligaten globalen Kitschstände dominieren Verkaufsbuden ortsansässiger Geschäfte, tasmanische Handwerkskunst, Lederwaren, Musik und, natürlich, Speise- und Getränkestände. Nach dem Freiluftspektakel wird es Zeit für ein kulturelles Großereignis: Das MONA, kurz für „Museum of Old and New Art“ist das größte Privatmuseum Australiens, gegründet von David Walsh, der durch Online-Pferdewetten reich geworden ist. Die drei tief in einen Fels gearbeiteten Etagen zeigen antike, moderne und zeitgenössische Kunst. Würdiger Abschluss des Erlebnisses: ein Glas Wein aus Walshs Weingut.
Vorfreude kommt auf. Bald geht es zur Wineglass Bay im Freycinet National Park, mit seinen roten Felsen, üppiger Vegetation und Wallabys, einer kleinen Känguruart. Im Mt-Field-Nationalpark, eine Tagestour von Hobart aus, sind Urwälder zu bestaunen mit den zweithöchsten Bäumen der Welt, beinahe 100 Meter hoch. Bei all der Eleganz und Naturschönheit hat Tasmanien aber auch eine Bürde zu tragen. Die Eroberung durch die Engländer hat zur vollkommenen Vernichtung der Aborigines geführt. Ein aktuelles Thema: Das MONA-Team und Vertreter der Stadt und der Ureinwohner planen für eine ungenützte Stadtfläche Kunstprojekte, Wohnhäuser, einen Memorial Path sowie eine historische Aufarbeitung der Untaten. Bis 2050 soll aus dem Macquarie Point ein Zentrum der Erinnerung und des Lebens werden. Und eine Attraktion mehr am anderen Ende der Welt, das seine Gäste begrüßt mit: „Hi guys, how’s it going?“