Salzburger Nachrichten

Mode kommt und geht

Der Handel mit Bekleidung und Mode ist ein Milliarden­geschäft. Und das dreht sich immer schneller. Einst große Marken sind mittlerwei­le auf Sparkurs statt Expansion.

- BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R

„Wir gehen weg von der Größe.“Dieter Messner, Europa-Chef Esprit

Die Bekleidung­sbranche ist ein heißer Markt – kunterbunt und übervoll. Allein in Österreich werden mit Textilien und Mode jedes Jahr rund 4,6 Mrd. Euro umgesetzt. Doch in allen Bereichen gebe es durch die Bank Stagnation, sagt Hania Bomba vom Marktforsc­her RegioPlan. „Die Vielfalt bei den Anbietern ist zwar groß, viele jedoch haben eine ähnliche oder gleiche Positionie­rung.“Die Fluktuatio­n auf den bestehende­n Shopfläche­n ist entspreche­nd groß. Neue Konzepte lösen alte rasch ab.

Um wieder auf profitable­s Wachstum zu kommen, sind bekannte Marken wie Gerry Weber oder Tom Tailer mittlerwei­le im Sparkursmo­dus anstatt auf Expansions­kurs. Auch die einstige Kultmarke Esprit steckt mitten in einem „Turnaround-Programm“, wie Europachef Dieter Messner es nennt. Er ist keiner, der um den heißen Brei herumredet. Wohl auch deshalb, weil er vor seinem Wechsel zu Esprit bei Obi in der Baumarktbr­anche tätig war. Wenn etwas wackelt, gehört das repariert.

„Wir hatten keinen roten Faden mehr in den Kollektion­en und den Kunden verloren“, sagt Messner. Zwischen 2008 und 2012 habe man bei Esprit „eine sehr schwierige Phase“durchlebt. 2013 folgte ein Komplettum­bau im Management der internatio­nalen Modemarke mit Ursprung in Kalifornie­n, operativem Headquarte­r in Deutschlan­d, Börsenotie­rung in Hongkong und chinesisch­en Investoren. Da passt es dazu, dass man sich für die Restruktur­ierung einen operativen Geschäftsf­ührer aus den Reihen des erfolgreic­hen spanischen Textilkonz­erns Inditex (Zara) holte.

Innerhalb der vergangene­n 18 Monate wurden 22 Filialen in Europa geschlosse­n, darunter der Flagshipst­ore in der Kärntner Straße in Wien. „Zu groß“, sagt Messner, der seit Mitte 2015 als Europa-Vorsitzend­er bei Esprit im Sessel sitzt. 80 Prozent der Bereinigun­g seien nun abgeschlos­sen, weitere Schließung­en soll es nicht mehr geben, „vielleicht aber Standortve­rlagerunge­n, das kann auch in Österreich noch passieren“. Unterm Strich liegt man hierzuland­e nun bei 20 eigenen Esprit-Stores und 60 Franchisen­ehmern – von denen gab es in den glorreiche­n Zeiten an die 100.

Weltweit ist Esprit in 40 Ländern präsent. Zuletzt erzielte man in den ersten sechs Monaten des Geschäftsj­ahres 2016/17 einen Jahresüber­schuss von 61 Mill. HongkongDo­llar (7,5 Mill. Euro). Im Jahr davor hatte das Unternehme­n noch einen Verlust von 238 Mill. HongkongDo­llar (30 Mill. Euro) ausgewiese­n. Operativ schrieb man zwar noch rote Zahlen, doch verringert­e sich hier der Verlust von 247 auf 13 Mill. Hongkong-Dollar (1,5 Mill. Euro). Der Umsatz sank durch die Filialschl­ießungen jedoch um elf Prozent auf 8,3 Mrd. Hongkong-Dollar (rund 1 Mrd. Euro).

„Wir wollen kein Zwerg werden, aber von der ganz großen Größe gehen wir weg“, sagt Europa-Chef Messner. Der Bekleidung­smarkt sei gesättigt, „wir haben einen reinen Verdrängun­gswettbewe­rb, in dem es darum geht, wer im Wegschnapp­en besser oder schneller ist“. Und in der Vergangenh­eit sei Esprit eben zu langsam und zu unflexibel gewesen.

So hat man im Zuge des Umbaus nicht nur die Designabte­ilung ausgetausc­ht, sondern auch auf jährlich sechs Kollektion­en umgestellt. Alle zwei Monate kommt Neues in die Läden, vor allem auch solches, das für Aufmerksam­keit sorgt. In Kooperatio­n mit der US-amerikanis­chen Modelinie von „Open Ceremony“hat man zuletzt Teile der poppigen 1980er- und 1990er-Kollektion neu aufgelegt. Kommenden Sommer lässt eine neue „Snoopy“Kollektion die Esprit-Kunden von ihrer Jugend träumen. Denn Hauptzielg­ruppe der 1968 gegründete­n Modemarke sind die 30- bis 55-Jährigen. Man wolle sich nun zwar etwas jünger positionie­ren, sagt Messner, „aber wir springen nicht von 40 auf 20“.

Definitiv treu bleibe man dem Mittelprei­ssegment und gutem Service, „unsere Kunden erwarten Bedienung“. Mit sechs Millionen Kundenkart­en könne man auf eine loyale Kundenschi­cht zählen. 70 Prozent der Verkäufe im Einzelhand­el würden über die Kundenkart­en abgewickel­t. Weiter vorantreib­en will man auch den Online-Handel mit derzeit 23 Prozent Umsatzante­il. Das Ziel: Die Kunden sollen sowohl im Laden als auch im Internet einkaufen. „Wir wissen, dass bei Konsumente­n, die beide Möglichkei­ten nutzen, die Umsätze zweistelli­g wachsen“, erklärt Messner.

In Österreich beträgt der OnlineUmsa­tzanteil in der Bekleidung­sbranche bereits 27 Prozent. Bis zum Jahr 2020 prognostiz­iert Marktforsc­her RegioPlan einen weiteren Anstieg um zehn auf dann 37 Prozent.

Unabhängig vom Vertrieb aber ist es die Begehrlich­keit einer Marke, die beim Verkauf entscheide­nd ist. Marktforsc­herin Hania Bomba unterschei­det zwischen herkömmlic­hen Brands und sogenannte­n Loving Brands, also solchen Marken, die man als Kunde unbedingt haben will. In Österreich, so schätzt Bomba, zählten nur 20 Prozent aller filialisie­rten Marken zu den Loving Brands. „80 Prozent haben es also nicht geschafft, große Begierde zu wecken.“Wobei auch der beste Standort nicht helfe, wenn man „als Marke nicht zieht“.

Bei der Ladengröße geht es – mit Ausnahme der großen Marktführe­r wie Zara und H&M – weg von den großen Flaggschif­fen hin zu kleineren Einheiten mit gemütliche­r Atmosphäre. „Als Shoppingce­nter würde ich mir keine Mitbewerbe­r anschauen, sondern Hotels. Die schaffen es, das zweite Wohnzimmer zu präsentier­en“, sagt Bomba. Eine solche Gefühlswel­t sei zunehmend auch in den Shops gefragt.

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BILD: SN/ESPRIT Markenpfle­ge im Retrolook: Teile aus der poppigen Esprit-Kollektion der 1980er- und 1990er-Jahre sind wieder zu haben.
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