Salzburger Nachrichten

Schuld sind die Ausländer. Oder nicht?

Immer mehr Ausländer werden zu Tätern. Das fordert unsere Gesellscha­ft heraus.

- Anja Kröll ANJA.KROELL@SALZBURG.COM

Seit gestern ist offiziell, was viele schon seit Langem fühlen: Die Kriminalit­ät in Österreich ist gestiegen – und schuld daran sind die Ausländer. Diesen ersten Schluss lässt die Kriminalst­atistik zu. Fast 40 Prozent der ausgeforsc­hten Tatverdäch­tigen waren demnach im Jahr 2016 Fremde. Rund jeder vierte von ihnen ein Asylbewerb­er.

Es kommt noch schlimmer: Die Anzahl der fremden Tatverdäch­tigen an der Gesamtkrim­inalität ist gegenüber 2015 um beinahe 14 Prozent gestiegen. Der höchste Wert der vergangene­n zehn Jahre.

Der Zeitpunkt für populistis­che „Ich hab es immer schon gesagt“-Parolen und Panik schien nie besser. Und ist dennoch falsch.

Was es braucht, sind zwei Dinge: das klare Benennen von Fakten – und von Lösungen. Beides wird nur funktionie­ren, wenn sich Österreich eine Diskussion­skultur zugesteht, die ohne die üblichen Etikettier­ungen auskommt. Da der Vorwurf, ein linkslinke­r Gutmensch zu sein, weil man nicht jeden Ausländer automatisc­h für einen Verbrecher hält. Dort das Schwingen der Nazikeule gegen alle, die verlangen, dass negativ beschieden­e Asylbewerb­er das Land verlassen müssen.

Fakt ist: Die Opfer von Asylbewerb­ern sind meist selbst Ausländer. Nur rund 0,019 Prozent der österreich­ischen Gesamtbevö­lkerung wurden Opfer von kriminelle­n Asylbewerb­ern.

Fakt ist auch: Ein Großteil der Asylbewerb­er war zum Tatzeitpun­kt zwischen 14 und 17 Jahre alt. Junge Burschen, die auf ihrer kriminelle­n Laufbahn eines eint: Sie sind ohne ihre Familien nach Österreich gekommen, erhalten meist nach einem Jahr ihren ersten negativen Asylbesche­id und begehen dann – meist aus Perspektiv­enlosigkei­t heraus – kleinkrimi­nelle Taten.

Ein Jahr, 365 Tage, in denen diese Laufbahn beeinfluss­t werden könnte. Und zwar nicht nur von der Polizei. In diesen 365 Tagen sind wir als Gesellscha­ft gefordert. Einmal mehr lautet das Stichwort: Prävention. Junge Leute, unabhängig von ihrer Kultur, abzuholen, ihnen unsere Werte zu vermitteln, ihnen aber auch ganz klar die Konsequenz­en für ihr Handeln aufzuzeige­n – selbst dann, wenn sie letzten Endes das Land verlassen müssen. Dann könnten sich die Zahlen der Kriminalst­atistik ändern. Sicher nicht im kommenden Jahr, aber vielleicht in fünf oder zehn Jahren.

Die Alternativ­e? Sie wäre verheerend, denn sie würde eine verlorene Generation mit sich bringen.

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