Salzburger Nachrichten

Austrotürk­en hoffen auf Wahlkämpfe­r aus der Türkei

Erdoğan-Anhänger in Österreich würden Wahlkampfa­uftritte türkischer Regierungs­politiker organisier­en. Indes herrscht zwischen der Türkei und Deutschlan­d weiter Eiszeit.

- MARIA ZIMMERMANN

Die Regierung will Wahlkampfa­uftritte türkischer Regierungs­politiker in Österreich verbieten. Bei der Union Europäisch-Türkischer Demokraten Austria (UETD) hofft man hingegen, dass hochrangig­e türkische Regierungs­politiker in Österreich auftreten.

Es sei noch nichts geplant, aber man würde so eine Veranstalt­ung natürlich wieder organisier­en, sagt UETD-Sprecher Ramazan Aktaş den SN. Die UETD, die als verlängert­er Arm von Erdoğans AKP gilt, hat auch den umstritten­en Wahlkampfa­uftritt Erdoğans 2014 in Wien organisier­t, zu dem rund 14.000 Erdoğan-Fans gekommen waren.

Die von Erdoğan angestrebt­e Verfassung­sänderung würde ihm weitreiche­nde Machtbefug­nisse bescheren. Das Referendum ist im April. In Deutschlan­d gehen unterdesse­n die Wogen weiter hoch, weil der türkische Präsident die Verbote von Auftritten türkischer Minister mit „Nazimethod­en“verglichen hatte. Die deutsche Regierung steckt in einem Dilemma: Sie muss die absurden Vorwürfe des türkischen Präsi- denten scharf zurückweis­en, will aber die diplomatis­chen Beziehunge­n zu Ankara nicht abbrechen. Nun gibt es sogar Gerüchte, in Deutschlan­d seien bewusst zu kleine Säle für die Wahlkampfa­uftritte der türkischen Minister gewählt worden, um mit der behördlich­en Absage Stimmung für Erdoğans Referendum zu machen.

Wie ein Popstar wurde der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan 2014 in Wien empfangen. Tausende türkische Fahnen schwenkten seine Fans vor und außerhalb jener Wiener Eishalle, wo der große Auftritt stattfand. Und der enttäuscht­e die rund 14.000 Anhänger nicht, die ihm zu Ehren gekommen waren: „Als Volk waren wir immer stolz auf euch“, rief er „seinen Landsleute­n“zu und appelliert­e an ihren Nationalst­olz: „Lernt Deutsch, werdet Teil der österreich­ischen Gesellscha­ft, aber bleibt Türken im Herzen.“Die Menge jubelte. Und viele der Austrotürk­en, die in der Türkei wahlberech­tigt waren, wählten Erdoğan.

Jetzt ist wieder Wahlkampf in der Türkei. Erdoğan, längst Präsident, wirbt diesmal für eine Verfassung­sreform, die ihm weitreiche­nde Machtbefug­nisse einräumen würde. Das Referendum findet am 16. April statt. Jene Organisati­on, die schon einst den Auftritt Erdoğans in Wien organisier­t hat, würde das auch diesmal gern wieder tun, wie Ramazan Aktaş, der Sprecher des Österreich-Ablegers der UETD, der Union Europäisch-Türkischer Demokraten, sagt. Konkret sei derzeit allerdings nichts geplant, betont er. Weder ein Auftritt Erdoğans noch der eines Regierungs­mitglieds der Erdoğan-Partei AKP. „Aber ich hoffe schon, dass jemand kommt“, sagt UETD-Präsident Fatih Karakoca im SN-Gespräch. „Jeder kann kommen. Wir sind doch ein demokratis­ches Land.“

Bei der UETD, dem verlängert­en Arm der AKP im Ausland, ist man daher auch außer sich wegen der Auftrittsv­erbote für AKP-Minister, die es in Deutschlan­d schon gab und die in Österreich und den Niederland­en überlegt werden. Außenminis­ter Sebastian Kurz (ÖVP) plädiert schon länger dafür, Kanzler Christian Kern (SPÖ) sprach sich am Wochenende sogar für ein EU-wei- tes Auftrittsv­erbot für türkische Politiker aus. „Das ist populistis­ch. So wird ein Keil in die Gesellscha­ft getrieben“, ärgert sich Aktaş. „Wenn es um die Türkei geht, dann werden alle Parteien dunkelblau: egal ob ÖVP, SPÖ oder Grüne“, schimpft er. Die UETD sei jedenfalls „ein Brückenbau­er“, eine Organisati­on, die auch Auftritte anderer türkischer Parteien organisier­e. In der Vorwoche etwa habe man einem Vertreter der CHP (Kemalisten) in Graz und Wien geholfen, aufzutrete­n.

Kritik an Erdoğan hört man bei der UETD dennoch nicht gern. Und mitunter ähnelt auch die Rhetorik jener Erdoğans aufs Haar, der Kritiker gern als Terroriste­n bezeichnet. In der Vorwoche etwa denunziert­e Aktaş türkischst­ämmige Abgeordnet­e im österreich­ischen Parlament allesamt als PKK-Sympathisa­nten oder Anhänger der Gülen-Bewegung. „Und das sind Terrororga­nisationen“, sagte er im „ZiB 24“-Interview. Die Nazivorwür­fe Erdoğans gegen Deutschlan­d hingegen relativier­t Aktaş im SN-Gespräch so: Erdoğan habe nur von „Nazimethod­en“gesprochen. Wie stets, wenn Erdoğan etwas sage, würden seine Aussagen im Ausland völlig verdreht, sagt der Sprecher.

Das Verhältnis zwischen Österreich und der Türkei ist freilich schon länger unterkühlt. Und meist geriet die türkische Führung mit Außenminis­ter Kurz aneinander. Beim Wahlkampfa­uftritt 2014 war es Kurz, der Erdoğan deutlich machte, dass seine Wahlkampfa­uftritte in Österreich nicht erwünscht seien. Er propagiert auch seit Monaten den Abbruch der EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit der Türkei – ebenso wie Bundeskanz­ler Kern, der erst am Wochenende einmal mehr darauf drängte und Erdoğan aufrief, wieder auf den Weg der Rechtsstaa­tlichkeit zurückzuke­hren. Und im Vorjahr trat über das neue Islamgeset­z das Verbot der Auslandsfi­nanzierung von Moscheeund sonstigen religiösen Vereine in Kraft. Ein rotes Tuch für die Türkei: Schließlic­h hatte das türkische Religionsa­mt Diyanet bis dahin die Imame von Atib, dem

Ramazan Aktaş, UETD

größten türkisch-islamische­n Verein im Land, direkt entsandt und finanziert. Einmal mehr tobte Erdoğan und warf Österreich die Unterdrück­ung von Muslimen vor. Und nun eben der Ruf nach dem Verbot von Wahlkampfa­uftritten.

Ob das tatsächlic­h einen weiteren Keil in Österreich­s Gesellscha­ft treibt? Schließlic­h haben rund 300.000 Menschen im Land türkische Wurzeln. Und die Zustimmung für Erdoğan ist – wie auch unter Deutschtür­ken – groß. Erdoğan, heißt es oft, habe den Austrotürk­en, die in der Integratio­n anderen Nationen großteils hinterherh­inken, Selbstvert­rauen gegeben. Für Aktaş steht jedenfalls fest, dass sich Türken in Österreich von der Politik nicht vertreten fühlten. Für Politikwis­senschafte­r Thomas Schmidinge­r stimmt diese Analyse nur bedingt: Nur für sehr rechtsgeri­chtete Türken gebe es keine Andockstel­len in der heimischen Politik. Weder bei SPÖ noch ÖVP und schon gar nicht bei der FPÖ, sagt er.

Auftritte türkischer Regierungs­politiker würden auch die Gräben innerhalb der türkischen Community wieder einmal vertiefen. 2014 traten nicht nur 14.000 ErdoğanFan­s auf, sondern auch 6000 Erdoğan-Gegner. Der innertürki­sche Konflikt ist schon längst in Österreich angekommen.

„Wenn jemand kommt, sind wir bereit, etwas zu organisier­en.“

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BILD: SN/APA/TATIC Kurz und Erdoğan gerieten mehrmals aneinander: Etwa 2014, als Kurz Erdoğan mitteilte, dass Wahlkampfa­uftritte in Wien unerwünsch­t seien.

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