Salzburger Nachrichten

Eine begeistert­e Europäerin blickt kritisch auf die EU

Michaela Petz-Michez ist das freundlich­e Gesicht Salzburgs in Brüssel. Ihr Urteil über die EU fällt derzeit allerdings eher negativ aus.

- Monika Graf MONIKA.GRAF@SALZBURG.COM

Wenn Salzburgs Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer nach Brüssel kommt, so wie auch heute, Dienstag, holt ihn Michaela Petz-Michez, Leiterin der Salzburger Vertretung in der EU-Hauptstadt, natürlich vom Flughafen ab. Sie hat Termine mit den Kommissare­n Günther Oettinger und Jyrki Katainen fixiert, eine Veranstalt­ung mit hochrangig­en Kommission­svertreter­n organisier­t und die Journalist­en an die Pressekonf­erenz erinnert, die Haslauer gibt.

Die gebürtige Zellerin ist mehr als das ausgesproc­hen freundlich­e Gesicht Salzburgs in Brüssel. Sie hat im Land Salzburg ein eigenes Europa-Büro, sie unterricht­et an der Verwaltung­sakademie Europarech­t – und sie ist eine der Österreich­erinnen mit der längsten EU-Erfahrung in Brüssel. Petz-Michez ist gleich nach der Matura nach Brüssel gegangen, als fille-aupair, das heißt: als Kindermädc­hen. Auf den Kulturscho­ck folgte die Begeisteru­ng; und als es im Zuge der Beitrittsv­erhandlung­en plötzlich möglich war, beschloss sie, dort zu studieren. Nach Romanistik hat sie an der Université Libre de Bruxelles noch einen Master in Europarech­t gemacht. Der wallonisch­e CETA-Rebell Paul Magnette („der Schwarm aller Studentinn­en“) war einer ihrer Lehrer. Nach einem Praktikum in der EU-Kommission arbeitete sie in der Ständigen Vertretung und leitete dort das Büro des Gemeindebu­ndes, bis sie 2004 die Salzburg-Vertretung in Brüssel übernahm. Rein gemessen in Jahren ist sie mehr Belgierin als Salzburger­in.

Ursprüngli­ch wollte sie im Außenminis­terium arbeiten, jedenfalls aber im Ausland für Österreich, er- zählt sie beim Frühstück im „Pain Quotidien“auf halber Strecke zwischen ihrem Büro und den EU-Institutio­nen. Die belgische Bäckerei-Café-Kette ist mit ihren Gemeinscha­ftstischen und traditione­llem Brot berühmt geworden.

Petz-Michez „liebt Brüssel bis heute“, auch wenn sie zur Regenerati­on immer noch die Berge und den Wald braucht. Sie ist mit einem Belgier verheirate­t und „lebt europäisch“. Die Mutter ihres Mannes kommt aus Sizilien, sein Vater aber aus Ostende – was im Ergebnis nicht immer einfach sei, sagt die Pinzgaueri­n. Vor allem bei der Erziehung der heute sieben- jährigen Tochter reiben sich italienisc­hes Laissez-faire und österreich­ische Prinzipien­treue manchmal.

„Die EU ist in einer demokratis­ch-existenzie­llen Krise“, sagt sie, „überall spürt man die depressive Stimmung.“Das Fatale daran: Die EU-Beamten arbeiten trotzdem an ihren Dossiers weiter, unabhängig von den großen Problemen. So erklärt sie sich auch, wie Entscheidu­ngen wie die 30-Millionen-EuroStrafe wegen falscher Budgetzahl­en aus Salzburg zustande kommen – die in der Heimat als total ungerecht empfunden werde.

Einer Schülergru­ppe, die dieser Tage in Brüssel war, habe sie erstmals gesagt, es gebe kaum etwas Positives zu berichten, erzählt sie – fast erstaunt über sich selbst. „Ich bin nach wie vor glühende Europäerin, weil das die Garantie für Frieden, Solidaritä­t und Demokratie ist. Aber ich habe derzeit das Gefühl: Die EU zerstört sich von innen.“

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BILD: SN/MG Michaela Petz-Michez
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