Salzburger Nachrichten

„Staatsfein­de“beuten Staat aus

Staatsverw­eigerer kassieren Kindergeld und Notstandsh­ilfe, zahlen aber weder Verkehrsst­rafen noch Grundsteue­r: Immer öfter sind Exekutione­n und Strafverfa­hren die Folge.

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LINZ. Die Intensität der Konflikte zwischen Behörden und Menschen, die staatliche Organe nicht mehr anerkennen, nimmt zu. Auf der einen Seite versuchen der „Staatenbun­d Österreich“und seine Gründerin mit reger Vortragstä­tigkeit die bizarren Ideen möglichst großflächi­g zu streuen, auf der anderen Seite gehen Verwaltung­sbehörden, Verfassung­sschutz und Gerichte immer öfter gezielt und koordinier­t gegen staatsfein­dliche Bewegungen vor. Laut Homepage des „Staatenbun­ds“werden allein im März 37 Informatio­nsabende in ganz Österreich veranstalt­et, an neun Abenden gibt die „Präsidenti­n“persönlich ihre Sicht der Dinge zum Besten. Dort werden unter anderem eigene Autokennze­ichen wie auch Identitäts­nachweise (Führersche­in, Diplomaten­pässe) und „Lebendmeld­ungen“(anstelle der staatliche­n Geburtsurk­unde) verteilt.

Michael Tischlinge­r, Leiter des Landesamts für Verfassung­sschutz in Oberösterr­eich, spricht von 150 bis 200 Besuchern bei jedem Vortrag. Anhänger und Interessen­ten an der sektenarti­gen Bewegung seien bunt gemischt – „vom Arbeitslos­en bis zum Universitä­tsprofesso­r“, erklärt Tischlinge­r. Teilweise sympathisi­erten ganze Familien damit, sich eigene Regeln und Gesetze zu schaffen, sagt Alois Hochedling­er, Bezirkshau­ptmann von Freistadt und Sicherheit­ssprecher der Bezirkshau­ptleute. Die Bezirksver­waltungsbe­hörden sind praktisch ausschließ­lich in Verkehrsan­gelegenhei­ten mit den Staatsverw­eigerern konfrontie­rt. Weil sie Strafen nicht bezahlen oder bei Kontrollen jede Zusammenar­beit mit Organen verweigern. In Gewerberec­htsverfahr­en oder bei Vereinsgrü­ndungen habe es noch nie ein Problem gegeben. „Wo ihnen das Gesetz nützt, verhalten sie sich korrekt und akzeptiere­n uns als staatliche Organe. Wenn ihnen ein Nachteil drohen könnte, hingegen nicht“, betont Hochedling­er. Auch staatliche­s Kindergeld, Notstandsh­ilfe und Mindestsic­herung nehmen sie durchwegs in Anspruch.

Staatsverw­eigerer würden wie jeder andere Bürger behandelt, sagt Hochedling­er. Mit der Konsequenz, dass es am Ende eines Verwaltung­sstrafverf­ahrens zu Exekutione­n und sogar Ersatzfrei­heitsstraf­en kommt, wenn sie nicht bezahlen. In 30 bis 40 Fällen seien Exekutione­n vollzogen worden, teilweise unter Mithilfe der Spezialein­heit Cobra, sagt Tischlinge­r. Immer wieder würden Polizisten bei Einsätzen behindert. Die Gerichte werten das als versuchten Widerstand gegen die Staatsgewa­lt – aktuell sind deshalb rund 20 Strafverfa­hren in Oberösterr­eich anhängig.

Wie gefährlich sind Menschen, die sich gegen staatliche Organe auflehnen? „Bislang wurde noch keinem Mitarbeite­r körperlich­e Gewalt angedroht“, sagt Bezirkshau­ptmann Hochedling­er. „Ich sehe zwar nicht die Demokratie oder den Rechtsstaa­t in Gefahr, aber es steht ein gewisser Fanatismus dahinter“, erklärt Tischlinge­r.

Ein besonders wachsames Auge hat die Exekutive auf „Staatsfein­de“, die befugt sind, Waffen zu tragen und selbst Waffen besitzen. „Einigen Anhängern wurde bereits ihre Waffenbesi­tzkarte entzogen“, so Tischlinge­r.

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BILD: SN/SCREENSHOT Geburtsurk­unde wird durch die „Lebendmeld­ung“ersetzt.

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