Wifo-Chef warnt vor Erwerbsarmut
Wirtschaftsforscher Badelt: Kein wirksames Rezept gegen Arbeitslosigkeit.
Christoph Badelt, der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, will Wirtschaftsfragen stärker mit sozialen und ökologischen Aspekten vernetzen, um große Reformen auf den Weg zu bringen. An hohe Arbeitslosenraten werde man sich in der Zukunft gewöhnen müssen. In Wahrheit wisse niemand, wie man sie wirksam bekämpfen könne. „Wer sagt, er weiß, wie man die Arbeitslosenquote zuverlässig senkt, ist ein Scharlatan“, erklärte Badelt am Montag im Klub der Wirtschaftspublizisten.
Die Flüchtlingsproblematik habe die Armutsgefährdung weiter verschärft. Das Problem sei weniger die Konzentration des Reichtums auf einige wenige, sondern die hohe Zahl jener, die trotz Erwerbstätigkeit unter die Armutsdefinition fallen („working poor“). Junge Menschen hätten heute eine andere Erwartungshaltung als vor 20 oder 30 Jahren, weil sich das Einkommen und die Preise für Eigentumswohnungen mit unterschiedlicher Dynamik entwickeln. In der Politik vermisst Badelt echte Reformbereitschaft. Handlungsbedarf sieht er insbesondere bei der Altersvorsorge, Hinweise dazu gebe es weder im Plan A des Bundeskanzlers noch im neuen Regierungsprogramm. Hier laufe man „aus demografischen Gründen in ein Problem“, warnt Badelt, der anregt, über eine leistungsunabhängige Altersversorgung nachzudenken – für jene Menschen, die nicht ins Versicherungssystem kommen.
Seine Forderungen an die Wirtschaftspolitik fasst Badelt in drei Punkten zusammen: eine Senkung der Abgabenbelastung, eine Entlastung des Faktors Arbeit und eine Konsolidierung des Budgets sowie der Staatsschulden. Beim letzten Punkt seien die tiefen Zinsen „eine enorme Versuchung“.
Noch nicht in der Wirtschaftspolitik angekommen sei der Umstand, dass das Wirtschaftswachstum in Europa auf Sicht dauerhaft schwächer sein werde als vor der Krise. Somit könne man anders als früher „nicht aus allen Problemen herauswachsen“. „Eigenartig“sei, dass der jüngste Aufschwung praktisch bei Nullzinsen stattfinde.
„Bei Pensionen laufen wir in ein Problem“